Hunger. Ein Report der Deutschen Welthungerhilfe

Ausgabe: 1993 | 1

Zurzeit sind 50 Mio. Menschen vom Hungertod bedroht. Wie hilflos und grotesk nimmt sich dagegen der vor zwanzig Jahren gefaßte "Beschluß" der Welternährungskonferenz aus, daß innerhalb eines Jahrzehnts kein Kind mehr hungrig zu Bett gehen wird. Allein in Afrika verhungern täglich 10.000 Kinder, und 700 Mio. Menschen haben nicht genug zu essen. Doch genug der abstrakten Zahlenspielerei. Der vorliegende Report geht in politischen Kommentaren, Essays und Reportagen den verschiedenen Aspekten eines der traurigsten Kapitel der Moderne nach. Einleitend hält es Gerd Renken stellvertretender Leiter des Pressereferats im 'Deutschen Bundestag, für angebracht, über den Begriff der Fünften Welt nachzudenken. "In dieser Fünften Welt ist das Gesetz des Hungers dominierend und der Tod von Millionen eine ebenso grauenerregende wie scheinbar unaufhebbare Zustandsbeschreibung." In den einleitenden Beiträgen werden grundsätzliche Überlegungen über Hunger, Armut und Unterentwicklung angestellt. Deutlich wird dabei die Wechselbeziehung von Hunger und Krieg, die Bedeutung ausgewogener Nahrung für die menschliche Entwicklung und die negativen Auswirkungen von Fehlernährung. Bezogen auf die ökonomischen Beziehungen zwischen Nord und Süd, kritisiert Erhard Eppler den Begriff der Inter-Dependenz als leere Worthülse. In einigen Fallbeispielen (Somalia, Angola, Brasilien, Indien) werden konkrete Folgen der Weltwirtschaftsordnung verdeutlicht. Untersuchungen in einem Flüchtlingslager in Kambodscha bestätigen auch, daß der Wunsch, ein aktives, selbstbestimmtes und sinnvolles Leben zu führen, mit steigender Erfüllung der Grundbedürfnisse wächst. Eine Sozialarbeiterin aus Kolumbien erzählt in ihrem Erfahrungsbericht, wie Frauen durch Weiterbildung in Selbsthilfegruppen ihre Lebenssituation positiv verändern können. In zwei Beiträgen werden als einziger Ausweg technologische Lösungen des Nahrungsmangels für zielführend gehalten. In Verkennung der historischen Entwicklung wie der ökonomischen Zwänge stellt auch Helmut Schmidt fest, daß nur die Grundsätze der westlichen Demokratie und ökologische Selbstdisziplin das Überleben der Entwicklungsländer möglich machen. Andererseits setzt Hubert Markls darauf, besonders jenen menschlichen Fähigkeiten zu mißtrauen, die uns nur auf den ersten Blick erfolgreich gemacht haben. Die im einen oder anderen Aufsatz durchklingenden konformistisch bis eurozentristisch gefärbten Aussagen werden der Problemlage in keiner Weise gerecht. Zur Linderung des Hungers kann nur eine interdisziplinäre und internationale Strategie in Zusammenarbeit mit den betroffenen Ländern im partnerschaftlichen Dialog beitragen. A. A.

Hunger. Ein Report. Hrsg. v. der Deutschen Welthungerhilfe. Red.: Christine Grän. Bonn: Dietz, 1993. 254 S. (Dietz- Taschenbuch; 48) DM 16,80 / sFr 14,20 / öS 131