Handwerk als Schlüssel für eine zukunftsfähige Wirtschaft

Ausgabe: 1997 | 1

Wird das Handwerk zum Hoffnungsträger für eine zukunftsfähige Wirtschaft? Dieser Frage der Herausgeberin gehen insgesamt 19 Autoren aus unterschiedlichen Blickwinkeln nach. Einleitend stellt Christine Ax fest, daß das Handwerk als Wirtschaftsbereich Merkmale habe, die es aus der Perspektive der Nachhaltigkeit besonders interessant machen: Handwerksbetriebe sind in der Regel Klein- und Kleinstbetriebe und sie bedienen in erster Linie die Region. In dem abwechslungsreichen Heft taucht manch unerwarteter Aspekt auf. So räumt Jochen Groß, Professor für Designtheorie in Offenbach, mit dem Vorurteil auf, daß Industrieprodukte zwangsläufig billiger seien als maßgeschneiderte Handwerksware. Die italienische Möbelmarke "Op Top" bietet etwa individuell gefertigte Möbelstücke zu einem Preis an, der 20% unter dem vergleichbarer Industriemöbel liegt. Der Grund: In einem "Showroom" kann sich der Kunde das gewünschte Stück per Katalog maßschneidern lassen. Ähnliche Möglichkeiten sieht Groß auch für Produkte aus Metall und Stein. Das Handwerk werde aufgrund computergesteuerter Universalwerkzeuge sein Gesicht verändern und ”Technotakturen" Platz machen. Christine Ax beschreibt vergleichbare Entwicklungen im Bereich der Schuhproduktion. Einen anderen Aspekt befeuchtet Babette Scurell. Nicht nur im Produkt, sondern auch im Arbeitsvorgang scheint ihr das Handwerk kulturell das Versprechen von "Würde in der Arbeit" zu erfüllen. Wenn es gelänge, ein Paradigma der örtlichen, zeitlichen und sozialen Gebundenheit für umweltschonende Technologien zu entwickeln, so käme dem Handwerk eine große Rolle zu, ist die Mitarbeiterin der Stiftung Bauhaus (Dessau) überzeugt. Unter dem Motto "Wochenmarkt statt Weltmarkt" müsse es über lokale Währungen, Tauschsysteme, ”kauf-daheim"-Kampagnen u. a. m. zu einer Stärkung der Regionen kommen - auch um den "Widerstand gegen ihre Überwältigung durch den Weltmarkt anzuzetteln". Werner Schenkel schließlich, Erster Direktor am Umweltbundesamt in Berlin, geht der Frage nach, warum es unserer Gesellschaft so schwerfällt, das umfassende Wissen über die ökologischen Probleme und die Möglichkeiten zu deren Lösung in Handeln umzusetzen. Offenbar bewahrheite sich noch heute der platonische Grundsatz" Wissen löst kein Handeln aus". Seiner Meinung nach liegt die Ursache darin, daß wir von kollektiven Denkmustern wie "Wer rastet, der rostet" u. ä. geprägt sind. Diesen Mythen und Märchen müßten neue Leitbilder und Utopien gegenübergestellt werden - etwa die vier "E's" nach Wolfgang Sachs: Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Einfachheit.  E. H.

Werkstatt für Nachhaltigkeit. Handwerk als Schlüssel für eine zukunftsfähige Wirtschaft. Hrsg. v. Christine Ax. In: Politische Ökologie, Sonderheft 9. München: ökom-Verl., 1997. 78 S., DM 19,80/sFr 19,-/ös 160