Feuerbachs Entwurf einer Philosophie der Zukunft

Ausgabe: 1988 | 2

Die vorliegende Auseinandersetzung mit dem Denken Ludwig Feuerbachs zielt darauf ab, dessen Postulat von der Sinnlichkeit aller Erfahrung (die Welt existiert nur, indem ich sie empfinde) den ihm historisch gebührenden Stellenwert zu sichern und zugleich in die aktuelle Diskussion einzubringen. Die Philosophie der Gegenwart muß die Erörterung von Einzelproblemen überwinden und sich wieder an den ganzen Menschen wenden, wenn sie uns davor bewahren möchte, zwischen den Mühlsteinen technisch-wissenschaftlicher Zweckrationalität aufgerieben zu werden.

In der bewußten Hinwendung zu normativ-ethischen Fragestellungen könnte sie ein Gegengewicht zu den ökonomisch organisierten Handlungsmustern schaffen und verstärkt in die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung eingreifen. Damit könnte die Philosophie einen Teil des an die Naturwissenschaften verlorengegangenen Terrains (allgemeinen Interesses) wiedergewinnen. Zu erreichen ist dies nur in der Einsicht, daß Sinnlichkeit und Vernunft einander bedingen. Inwieweit die Konzeption einer „neuen Vernunft“ in Anlehnung an Feuerbach einen „realen Humanismus“ begründen und vielleicht auch "dem Marxismus auf die Beine helfen" kann, bleibt abzuwarten. Die überzeugend vorgebrachte These, daß jede Antizipation der Wirklichkeit diese auch schafft, läßt Feuerbachs Konzeption in der Tat als "Philosophie der Zukunft" erscheinen . In seinem Sinne ist "Utopie nicht eine Idee ohne Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit der Idee."

Reitemeyer, Ursula: Philosophie der Leiblichkeit. Ludwig Feuerbachs Entwurf einer Philosophie der Zukunft. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1988. 172 S. (Edition Suhrkamp 1417) DM 12,-/sfr 10,20/öS 93,60