Aleida Assmann

Der europäische Traum

Ausgabe: 2019 | 2
Der europäische Traum

Die renommierte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann widmet sich mit „Der europäische Traum“ unserem heftig und kontrovers diskutierten Zeitgeschehen. Das Buch erschien im Oktober des letzten Jahres, als sie gemeinsam mit ihrem Mann Jan Assmann für ihre Forschungsarbeiten rund um Formen kollektiven Erinnerns den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Dass die beiden Wegbereiter einer aufgeklärten Erinnerungskultur gerade jetzt, in einer vermehrt von radikalen Angst-, Hass- und Machtphantasmen gespickten Phase, diese Auszeichnung erhalten, ist ohne Zweifel auch – das wurde in den Medien bereits thematisiert – ein politisches Signal. „Die Forschungen von Aleida und Jan Assmann sind Grundlagen dafür, wie eine moderne Gesellschaft aus der Vergangenheit lernen kann, um in Frieden und Freiheit leben zu können“, konstatierte beispielhaft der Vorsteher des Börsenvereins Heinrich Riethmüller im Kontext der Preisverleihung.

Assmann schlägt in ihren Auführungen ein gemeinsames Leitbild des Denkens und Handelns für dieNationen der EU vor, die in einer Geschichte der Gewalt miteinander verbunden sind: „In Europa ist die Geschichte der Stoff aus dem nicht nur Alpträume und Traumata, sondern eben auch der Traum einer friedlichen gemeinsamen Zukunft gemacht ist. Jene Gewaltgeschichte zu überwinden verlangt aber, sie zu kennen und anzuerkennen, um daraus gemeinsame Normen und Ressourcen für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu gewinnen.“ (S. 9) Ohne ein gemeinsames Wissen um die Geschichte sowie eine entsprechende europäische Verständigung über eben diese Historie und ihre bis dato anhaltenden Folgen, ist Europa schlicht orientierungslos, kann sich nicht erneuern, keine Krisen bewältigen, keine gemeinsame Zukunft gewinnen. (vgl. S. 8) Grundorientierung für eine gewinnbringende Verständigung und den Zusammenhalt der Mitgliedstaaten sollten nach Assmann vier Lehren aus der Geschichte sein, die mehr denn je für unsere Gegenwart und Zukunft relevant sind: Friedenssicherung, Rechtsstaatlichkeit, eine selbstkritische Erinnerung und die Achtung der Menschenrechte. Diese Punkte gilt es zu bewahren und immer wieder umzusetzen. Nur darüber reden reicht nicht. Die Idee dieser Lehren als Grundpfeiler ist nicht neu, Assmann möchte sie mit ihrem optimistischen, ermutigenden und kurzweiligen Buch aber aus der Senke plattitüdenhafter Wiederholungen herausholen und sichtbar machen.