Gabriel Felbermayr

Europa muss sich rechnen

Ausgabe: 2025 | 2
Europa muss sich rechnen

Gabriel Felbermayr analysiert die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die EU steht und skizziert eine pragmatische Vision für ihre Zukunft. Der Autor argumentiert, dass Europa eine klare Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen und seine Politik stärker auf konkrete Ergebnisse ausrichten muss, um langfristig erfolgreich zu sein. „Damit ist gemeint, dass Europa mit Ergebnissen überzeugen muss, nicht mit Mythen oder Symbolpolitik oder, wie oft in jüngerer Zeit beschworen, mit den scheinbar geeigneten ‚Narrativen‘“ (S. 21). Die Themen reichen von technologischen, geopolitischen und demografischen Krisen über den Binnenmarkt und Investitionen bis hin zur Außen- und Sicherheitspolitik.

Felbermayr beschreibt die EU als eine Gemeinschaft, die in einer Phase der Unsicherheit und Fragmentierung feststeckt. Zu den zentralen Krisen zählen technologische Rückstände bei denen Europa droht, im globalen Wettbewerb, um Innovationen gegenüber den USA und China ins Hintertreffen zu geraten, geopolitische Herausforderungen durch den wachsenden Einfluss autoritärer Staaten, Konflikte in der Nachbarschaft der EU und die Instabilität globaler Handelsbeziehungen. Dazu kommt der demografische Wandel, bei dem eine alternde Bevölkerung die sozialen Sicherungssysteme belastet und das Wirtschaftswachstum hemmt. Auch der Brexit und innere Spaltungen zeigen die Fragilität der EU. Gerade angesichts dieser Krisen hebt Felbermayr auch die Errungenschaften der EU hervor. Er betont etwa, dass sie über Jahrzehnte hinweg zur Stabilität und zum Frieden in Europa beigetragen, sich zu einem führenden Exporteur entwickelt hat und eine Vorreiterrolle in der Klimawandelbekämpfung einnimmt. Und trotz gelegentlicher Kritik genießt die EU laut Umfragen weiterhin breite Unterstützung bei ihren Bürger:innen.

Felbermayr fordert eine stärkere Fokussierung auf den Nettonutzen der EU. Statt von Mythen oder Ideologien getrieben zu sein, sollte die EU Ergebnisse liefern, die die Lebensqualität ihrer Bürger:innen direkt verbessern. Sicherheit in wirtschaftlicher sozialer und geopolitischer Hinsicht sollte dabei das Leitmotiv sein.

Der Binnenmarkt ist für Felbermayr das Herzstück der europäischen Integration, denn er ist die Basis für Wirtschaftswachstum und sozialen Ausgleich. Der Autor warnt jedoch, dass der Binnenmarkt nicht fertig sei. Er sieht nationale Alleingänge bei der Energieversorgung als potenziell schädlich für die Effizienz und Stabilität der EU und betont die Notwendigkeit einer Harmonisierung im Bereich der sozialen Sicherheit auf europäischer Ebene. „Viele Themenfelder, die für das wirtschaftliche Leben zentral sind, verbleiben weiterhin in nationaler Zuständigkeit, so etwa die Sozialversicherungssysteme. Ihre unterschiedliche Ausprädung innerhalb Europas macht die Freizügigkeit der Arbeit oft zu einem erheblichen Risiko“ (S. 44f.).

Gemeinsame Investitionen sieht Felbermayr als entscheidend an, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken. Dazu zählen der Ausbau von Strom-, Gas-, und Datenleitungen sowie die Förderung von Spitzenforschung. Die Gemeinsame Agrarpolitik GAP sei für die Versorgungssicherheit wichtig, aber er kann sich vorstellen diese wieder den Mitgliedsstaaten zu übertragen. „Solange die Subventionen an die Landwirtschaft so gestaltet sind, dass sie nicht wettbewerbsverzerrend wirken, gibt es keinen Grund, warum es für ihre Höhe und Struktur einheitliche Standards geben soll und warum die Auszahlung maßgeblich über ein zentrales Budget erfolgen soll und nicht von den Mitgliedsstaaten selbst finanziert wird“ (S. 34). Hingegen ist Felbermayr der Ansicht, dass mehr Marktdisziplin auf europäischer Ebene und ein Grenzausgleichsmechanismus zur Vermeidung von

Wettbewerbsverzerrungen bei Klima- und Tierschutzstandards dringend erforderlich sind. Auch Handelsabkommen mit Drittstaaten spielen eine zentrale Rolle.

In der Außenpolitik plädiert Felbermayr für einen konsequenten Schutz der Außengrenzen. Nur durch diesen Schutz könne die EU auf Binnenkontrollen verzichten und ihre Freiheiten bewahren. Eine stärkere militärische Zusammenarbeit und Eigenständigkeit der EU sei notwendig, um die Sicherheit in Europa zu gewährleisten. Der Autor plädiert dafür, dass sich die EU-Staaten durchringen, ihre Landesverteidigung gemeinschaftlich zu organisieren (S. 97).

Felbermayr argumentiert, dass viele der vorgeschlagenen Reformen Änderungen der EU-Verträge erfordern. Doch anstatt diese Hürde als unüberwindbar zu sehen, sieht er darin eine Chance die EU fit für die Zukunft zu machen. Die Mitgliedstaaten müssen erkennen, dass nur durch stärkere Integration und klare gemeinsame Regeln der langfristige Erfolg gesichert werden kann „Europa muss sich rechnen“ ist ein Appell an die EU und ihre Mitgliedstaaten, sich den Herausforderungen unserer Zeit mit Pragmatismus und Innovationsgeist zu stellen. Felbermayr zeigt, dass Europa sowohl Krisen bewältigen als auch Erfolge ausbauen kann, wenn es sich konsequent an seinem Nettonutzen orientiert und Sicherheit in allen Formen zum Leitmotiv macht.