Ethik und Technikbewertung

Ausgabe: 1996 | 4

Ein Technikverständnis, daß die Probleme mit fortschreitender Technisierung glaubt beheben zu können, hat sich ebenso als Illusion erwiesen wie die Auffassung, daß das Heil allein in asketischer Abkehr von der Technik liege. Was also tun? Günter Ropohl, Professor für Allgemeine Technologie in Frankfurt/M., versucht sowohl die Ingenieurethik (ethische Techniksteuerung), als auch die Idee der Technikfolgen-Abschätzung (TVA) zu einer Synthese konzentrierter Techniksteuerung zusammenzuführen. Zunächst legt der Autor die moralphilosophische Konzeption der Ingenieurethik dar und begründet, warum ihr effektiver Beitrag zur Steuerung der Technisierung aus praktischen und theoretischen Gründen unbefriedigend bleiben muß. Dies belegt er anhand einer ausführlichen Diskussion des Idealtypus der individuellen Ingenieurverantwortung, die zeigt, "daß die Verantwortungsfähigkeit der einzelnen Ingenieure beträchtlichen Einschränkungen unterworfen ist". Diese sieht er nicht nur in Qualifikationsdefiziten, in ökonomisch- und arbeitsrechtlichen Bindungen, sondern auch in den Besonderheiten des technischen Handelns. Da also eine ethische Techniksteuerung nicht greifen kann, widmet sich Ropohl in einem nächsten Schritt der politischen Techniksteuerung. Ihre Schwäche wiederum sieht er darin, daß "Wissenschaft und Politik etwas steuern sollen, was großenteils gar nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich geschieht; ferner lasse sie, des gesamtgesellschaftlichen Anspruchs wegen, die spezifische Verantwortungsfähigkeit der technisch handelnden Individuen und Organisationen außeracht. In der Synthese beider Diskurse, die der Autor als "innovative Technikbewertung" und in ihrer praktischen Anwendung als "konzertierte Techniksteuerung" bezeichnet, wird das moralische Engagement der Individuen mit der institutionellen Regulierung soziotechnischer Prozesse und Verhältnisse verbunden. Das Konzept ist als kontinuierlicher Steuerungs-, Bewertungs- und Korrekturprozeß angelegt. Die Technikbewertung setzt als konstitutiver Bestandteil zudem schon bei der Entstehung technischer Neuerungen an. Durch die Synthese kann die Ambivalenz der technischen Entwicklung reduziert werden. Es genügt allerdings nicht, so Ropohl, sich allein auf die individuelle Moralität der Ingenieure und der Technikbewertung der Politiker und Experten zu verlassen. Darüber hinaus müßten wir "sehr erfinderisch werden, um alle unsere Erfindungen zu überleben". A. A.

Ropohl, Günter: Ethik und Technikbewertung. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1996. 379 S. (stw; 1241)