Risikopolitik

Ausgabe: 1996 | 4

Alles Handeln, ob wir nun am Altbewährten festhalten oder Neues ausprobieren, ist risikobehaftet. Sobald eine Vielzahl von Menschen von den Risiken betroffen ist, ergibt sich der Bedarf der Risikokontrolle als Gegenstand der Politik. . . Ausgehend von einer Kritik der Systemtheorie Niklas Luhmanns und dessen Verständnis politischer Steuerung entwickelt der Soziologe Richard Münch seine Theorie der Politik "als schöpferische Verflechtung von Politik und Nichtpolitik", in der an die "Stelle des politischen Machtspiels die aktive Suche nach Legitimation, an die Stelle des politischen Opportunismus das zähe Ringen um Problemlösungen" tritt. Mit Blick auf die Marktwirtschaft macht der Autor deutlich, daß ihre Ergänzung durch eine ökologische Komponente die Aufgabe der nächsten Zukunft ist. Am Beispiel der Umweltpolitik wird das Dilemma offensichtlich, daß Politik einerseits auf Expansion der Wahrnehmung von Rechten abzielt, diese andererseits aber im Interesse des Umweltschutzes wieder einschränken muß. Umso mehr sind alle politischen Akteure gefordert, die Kunst der Konsensbildung zu pflegen. Denn es gibt, so Münch, trotz begrenzter Problemlösungskapazität keine Alternative zu offenen Entscheidungsverfahren. Im Gegensatz zu Autoren, die vom Ende der Nationalstaaten überzeugt sind (vgl. dazu PZ 3/96*322 und bspw. P. Sloterdijk: Falls Europa erwacht. 1994), weist Münch nachdrücklich auf ihre Bedeutung hin. "Sie sind Träger kulturell und institutionell gewachsener Formen der Risikopolitik, die es hinsichtlich Ihrer Eigenarten zu verstehen gilt, gerade in einer Zeit ihrer zunehmenden Verflechtung auf supranationaler Ebene." Vor diesem Hintergrund werden im Schlußabschnitt "Modelle der Risikopolitik" am Beispiel Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und den USA vorgestellt. Der Autor versucht dabei, ein der Komplexität dynamischer Gesellschaften gerecht werdendes Bild politischer Steuerung zu zeichnen und weniger die direkte Umsetzung theoretischer Modelle im Visier zu haben. Damit offenbart sich aber gleichzeitig die nur bedingte Tauglichkeit solch gut gemeinter soziologischer Entwürfe für die politische Praxis. A. A. 

Münch, Richard: Risikopolitik. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1996. 265 S. (stw; 1242),