Erhard Eppler: Die Wiederkehr der Politik

Ausgabe: 1998 | 4

"Wo nur darüber spekuliert wird, ob die Wachstumsrate wohl 2 % oder vielleicht doch 2,5 % betragen werde, verflüchtigt sich Politik von selbst, wird überflüssig. Politik nährt sich aus der Frage nach dem guten, menschenwürdigen Leben:' (S. 289) - Es sind keineswegs politische Memoiren, die Erhard Eppler, einer der über seine vielfältigen politischen Funktionen (Landtagsmitglied und Bundestagsabgeordneter, Bundesminister, Fraktionsvorsitzender) hinaus bedeutendsten programmatischen Vordenker der SPD, hier vorlegt, sondern ein flammendes Plädoyer für die Notwendigkeit von Politik; einer Politik, die "damit zu tun hat, wie die Menschen leben wollen und was sie - gemeinsam, als Staatsbürger - tun können, damit sie so leben können, wie sie es für richtig halten" (S. 142).

Eppler beginnt mit Reflexionen zum "Raum der Politik': Diese führen ihn zu Carl Schmitt, Karl Popper, Hannah Arendt und Max Weber ebenso wie zum Verhältnis von Utopismus und Pragmatismus sowie Moral und Politik. (Im Beziehungsfeld von Staat, Macht und Gewaltmonopol ortet der SPD-Denker vor allem eine gefährliche Abwertung des Staates sowie das Anwachsen privater Sicherheitsdienste.) Es folgt im zentralen Teil eine engagierte Kritik am gegenwärtigen Diskurs über das angebliche "Ende der Politik': Eppler verwehrt sich dabei gegen Luhmanns Degradierung des Politischen zu einem auf den eigenen Machterhalt reduzierten selbstbezogenen Systems ebenso wie gegen die zunehmende Medialisierung der Politik. ("Politik verlangt Stetigkeit, Verläßlichkeit, sie muß orientieren. Das Fernsehen braucht Abwechslung, Aktion, Emotion und Sensation“ (S. 147). Er schreibt aber auch an - und das eines der stärksten Kapitel des Buches - gegen die "neoliberale Dogmatik'; die uns "unentwegt versichert, zu Deregulierung, Privatisierung, Entsolidarisierung, Ausgrenzung gebe es keine Alternative" (S. 179). Die ökologische Fehlsteuerung reicht für den Politiker "in Ruhe" zurück in die 70er-Jahre, in denen es versäumt wurde, dem Wachstumsgötzen eine Absage zu erteilen.

Eppler, der Willi Brandts Ostöffnung mitgestaltet hat, nimmt auch Stellung zur internationalen Politik; er kritisiert die Hegemonialpolitik der USA und die Aushöhlung der Vereinten Nationen, zugleich plädiert der Mitstreiter der Friedensbewegung mit Verweis auf Bosnien und andere Konfliktzonen für eine Neubestimmung der Friedenspolitik, die dem "Recht des Stärkeren" im Notfall auch mit militärischen Mitteln entgegentreten müsse. (S. 130)

Epplers Buch endet mit einem Ausblick auf die "Wiederherstellung der Politik": Gleich einem furiosen Finale beschwört der 72-jährige SPD-Denker darin eine europäische Politik der ökologischen Nachhaltigkeit, der demokratischen Teilhabe sowie der sozialen Gerechtigkeit.

H. H.

Eppler, Erhard: Die Wiederkehr der Politik. Frankfurt/Mo (u. a.): Insel-Verl., 1998.311 S., DM 39,80/ sFr 37,-/ÖS 291,-