Sind wir, fragt Federico Mayor, Generaldirektor der UNESCO, in diesem sehr persönlich getönten Buch, in der Lage, zu Ende des Jahrtausends eine neue Seite in der Geschichtsschreibung der Menschheit aufzuschlagen? Es ist möglich, ja wahrscheinlich, argumentiert der aus Barcelona stammende Weltbürger, ohne damit einem leichtfertigen Optimismus das Wort zu reden: Zahllose Gespräche mit vorausblickenden, mutigen Staatsmännern in aller Welt und ungezählten Namenlosen, die durch ihre tägliche Arbeit den Weg zu einer neuen "Kultur des Friedens" bereiten, bestärken ihn in dieser Überzeugung. Wenn es gelingt, aus Individuen Persönlichkeiten zu machen, die nicht nur gezählt werden, sondern jede für sich zählt, dann kann eine (jeweils auf kulturelle Traditionen gegründete) demokratische Entwicklung Platz greifen.
Ausdauer, Mut und Wissen sind nach Ansicht des Autors die drei Säulen. auf denen die neue Epoche dann zu bauen ist, wenn wir alle bereit sind, die uns zugedachte Holle auch aktiv zu gestalten und zum Gelingen der Vision beizutragen. "Wir müssen uns schon aus dem Zug hinauslehnen, um zu sehen, wohin die Fahrt geht", meint Mayor, und fordert dazu auch Mut und Entschlossenheit, denn nur so können wir den Herausforderungen der Zeit begegnen und auch persönlich ein Stück weiterkommen. Mayor, für den Politik keineswegs die Kunst des Möglichen, sondern "fortdauernde Rebellion mit dem Ziel ist, Ethik in die Tat umzusetzen und Träume Realität werden zu lassen", benennt die Distanz zwischen Entscheidungsträgern und Bürgern als eine der größten Gefahren, der es durch Erziehung, kulturelle Entwicklung und Kommunikation zu begegnen gelte.
Der UNESCO schreibt er dabei die Rolle einer weltweit zugänglichen offenen Universität zu, an der neue Ideen und kreative Lösungen für die tatsächlich brennenden Fragen der Zeit erörtert und exemplarisch erprobt werden sollten. Wäre der Norden bereit, den" Preis des Friedens" durch fairen Austausch zu zahlen und sich zugleich auch einzuschränken, dann könnten wir uns an die tatsächlich entscheidende Aufgabe machen: das Steuer in die Hand nehmen und das Boot, in dem wir alle gemeinsam sitzen, auf einen guten Kurs zu steuern. Eine kraftvolle Vision, die jedem einzelnen eine wichtige Aufgabe zuweist und dadurch hilft, der verbreiteten Resignation entgegenzuwirken. Ein ungemein wichtiger Titel.
W Sp.
Mayor, Federico: The New Page. With a collaboration of Tom R. Forstenzer, foreword by IIIya Prigogine. Paris (u. a.): UNESCO (u.a.), 1995. 98 S. ISBN 9231029495, ca. $ 39.95 / DM 53,60 / sFr47,- / öS 390,-