Daniel Dettling

Eine bessere Zukunft ist möglich

Ausgabe: 2023 | 1
Eine bessere Zukunft ist möglich

Daniel Dettling leitet das Berliner Büro des Zukunftsinstituts. In seinem Buch „Eine bessere Zukunft ist möglich“ macht er weitreichende Prognosen undverwehrt sich gegen die Wahrnehmung, dass alles schlechter werde. „Es geht uns immer besser“ (S. 12) ist der Zukunftsforscher überzeugt. Die Lebenserwartung in Deutschland sei in den letzten 70 Jahren bei Frauen um 15 Jahre und bei Männern immerhin um 14 Jahre gestiegen. Der Wohnraum pro Kopf habe sich in den letzten 60 Jahren von 22 auf 46 Quadratmeter verdoppelt. Auch global sieht Dettling Erfolge. Die Migration steige, „weil weltweit vieles besser“ werde. Die Integration Zugewanderter funktioniere trotz Populismus und Rassismus immer besser. Selbst beim Klimawandel sei die Kluft zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit enorm: Eine große Mehrheit sehe künftige Generationen und Menschen in Entwicklungsländern bedroht, nur wenige glaubten aber, persönlich von steigenden Temperaturen betroffen zu sein (alle Befunde: S. 12f.).

Als Beweis für dieses Auseinanderklaffen von Wahrnehmung und Wirklichkeit zitiert Dettling Studien wie den „globalen Ignoranztest“ der Gapminder-Stiftung oder den „internationalen Irrtumsindex“, bei dem Deutschland weit vorne liege (S. 14). „Wir leben in der besten aller möglichen Welten und lassen uns dennoch von dem Grundgefühl des Immerschlimmerismus leiten“, fasst der Autor seine Sicht mit Bezug auf Mathias Horx zusammen (S. 15). Mit Hans Rosling und dessen „wunderbaren Buch Factfulness“ plädiert er für einen „mutigen Possibilismus“ (S. 20).

Fünf Thesen

In fünf Thesen skizziert der Zukunftsdenker seine Weltsicht (Zusammenfassung S. 21): „Die Weltbevölkerung wird älter und dennoch fühlen wir uns immer jünger“ (Kapitel 1); „Zweitens wird die Welt friedlicher, auch wenn unser Gefühl von Unsicherheit und Kontrollverlust zunimmt“ (Kapitel 2); „Aus fernen Ländern werden Nachbarn. Damit wachsen globaler Wohlstand und Migration. [….] Aus Flüchtlingen werden Touristen und Fachkräfte“ (Kapitel 3); „Es wird uns gelingen, die Wirtschaft klimaneutral zu machen und Ökonomie und Ökologie zu versöhnen“ (Kapitel 4); Schließlich fünftens „wird die Zahl der Demokratien trotz Populismus und Protektionismus steigen“ (Kapitel 5).

Dettling sieht sehr wohl Probleme, aber diese seien in einer offenen Gesellschaft alle lösbar. Und er verweist auf Probleme, die weniger im Fokus sind, etwa die zunehmende Vereinsamung: „Das Deutsche Zentrum für Altersfragen hat herausgefunden, dass sich von den 45- bis 84-Jährigen jeder Zehnte einsam fühlt.“ (S. 47) 10 Millionen Single-Haushalte in Deutschland seien ein Warnsignal. Die „Pandemie der Einsamkeit“ (ebd.) sei jedoch mit einer Ausweitung der Care-Arbeit und der Abschaffung der Altenheime zu überwinden. Die Erwerbsarbeit werde sich ohnedies stark verändern, so Dettling, der Wunsch nach mehr freier Zeit steigen, neue Tätigkeiten wie Sorge, Bildung, freiwillige Arbeit und politisches Engagement in den Mittelpunkt rücken: „Wenn wir all diese Tätigkeiten gleichwertig entlohnen, werden sie auch gesellschaftlich gleich wert sein.“ (S. 50). Der Autor fordert eine Aufwertung der dem Gemeinwohl dienenden Arbeiten, breitere „Mitarbeiterbeteiligungen“ sowie „Mitarbeiter-Demokratie“ (S.86), plädiert etwa für ein bedingungsloses Grundeinkommen als soziale Basissicherung.

Wenn sich Dettling einer Erneuerung der Demokratie widmet, dann setzt er insbesondere auf die Rolle von Städten: „Bürgermeister und Regionalpolitiker sind die Träger einer europäischen Bewegung für Inklusion, Umweltschutz und neue Mobilität.“ (S. 169) Europa könne zu einer globalen „Soft Power“ (S. 170) mit Führerschaft auf den Gebieten der Digitalisierung und Demokratie werden, Subsidiarität werde dabei eine wichtige Rolle spielen: „Europa muss in Zukunft größer und kleiner werden.“ (S. 174). Zudem bräuchten wir eine „Politik des Zuhörens“ in einer „Konsultativen Demokratie“ (S. 179).

Wie Neues umsetzen?

Resümee: Der Autor greift eine Vielzahl an Themen auf und unterbreitet eine Fülle an Zukunftsideen, die er jedoch nicht als Möglichkeiten, sondern als zukünftige Gewissheiten, also Prognosen, präsentiert. Zudem bleibt das Buch Antworten darauf schuldig, wie das viele Neue umgesetzt werden wird, etwa die Finanzierung einer 20-Stundenwoche, die Entlohnung aller Tätigkeiten sowie ein Grundeinkommen, denn höhere Vermögenssteuern lehnt der Autor ebenfalls ab. Die Stärke des Buches, das Setzen auf technologische und soziale Innovationen in einer offenen Gesellschaft, wird damit dort zu einer Schwäche, wo Konflikte ausgespart und Interessensgegensätze negiert werden. Griffige Formulierungen können leider keine Strategielücke schließen. Oder will uns der Autor beschwichtigen – es werde alles gut, wir bräuchten uns keine Sorgen machen, der Kapitalismus werde es richten?