Herfried Münkler

Die Zukunft der Demokratie

Ausgabe: 2023 | 4
Die Zukunft der Demokratie

Der demokratische Rechtsstaat werde von zwei Seiten bedroht. Von außen durch das drohende und gewaltsame Agieren Russlands und durch die leise, aber raumgreifende Ausweitung der chinesischen Einflusszonen. Das Chinesische Modell gelte für viele auf dem Modernisierungsweg befindliche Länder inzwischen als attraktive Alternative zum westlichen Vorbild der parlamentarischen Demokratie mit politischer Gewaltenteilung und vitaler Zivilgesellschaft (vgl. S. 23). Innerhalb der Demokratien seien Enttäuschung und Resignation die größten Feinde. Die hohe Komplexität der modernen demokratischen Beratungs- und Entscheidungswege führe bei jenen, die sich politisch engagieren, schnell zu Resignation und einer Abwendung von der Politik. Münkler reflektiert die wichtigsten Prognosen, wie es mit der Demokratie weitergehen werde. Dabei erinnert er an Francis Fukuyamas Buch „Das Ende der Geschichte“, in dem der Autor die liberale Demokratie als unangefochtene, dominierende Herrschaftsform sah. Pessimistischer waren Samuel Huntington und Colin Crouch. Huntington ging von Wellenbewegungen aus, wonach der Demokratie eine Krise bevorstehe. Colin Crouch argumentierte, dass die Demokratie Legitimität verliere, weil ihre Handlungsfähigkeit durch ökonomische Sachzwänge reduziert werde. Münkler sieht ebenfalls problematische Effekte des Internet. „Verschwörungstheorien verbreiten die Vorstellung, bei den demokratischen Machtwechseln und den Kontrollinstanzen gegenüber den Mächtigen handele es sich um bloße Inszenierungen, während die eigentliche Machtausübung durch unsichtbare Akteure im Hintergrund erfolge, weswegen die demokratischen Regeln ohne Belang seien und man sie am besten außer Kraft setze, um den Kampf gegen die verborgenen Mächte im Hintergrund aufnehmen zu können“ (S. 86). Wolfgang Merkel und andere differenzieren zwischen konsolidierten und defekten Demokratien, Fassadendemokratie und der offen autokratischen Herrschaft. Für Münkler bietet diese Auffächerung die Möglichkeit, klarer zu beschreiben, was vor sich geht. Spannend die Diskussion zu Klimaschutz und Demokratie: So habe sich auch bei der ökologischen Herausforderung die Demokratie als die sensibelste Form der politischen Ordnung erwiesen und es werde Erfolge im Klimaschutz nur geben, wenn die Bürger:innen die Herausforderung auf sich nehmen und demgemäß initiativ werden (vgl. S. 136).