Die Welt nach dem Ost-West-Konflikt

Ausgabe: 1991 | 2

Der Golfkrieg ist zu Ende, die Zukunft der Region düsterer denn je. Die beschworene "neue" Weltordnung in Nahost ist nicht in Sicht. Es blieb nur Elend und Zerstörung. In ihrem Bericht über die Krisenmonatevor Kriegsausbruch und die Wochen vor der Irak-Invasion in Kuwait kommen Salinger und Laurent zu dem Schluss, dass sowohl die Aggression gegen das ÖI-Emirat als auch der folgende Krieg hätten verhindert werden können. Die Chronologie der Ereignisse in Analysen, Reportagen und Dokumenten macht deutlich, dass die USA und Europa nicht entschieden und flexibel genug reagiert hatten, um eine Eskalation zu verhindern. In Geheimabsprachen zwischen Kuwait und den USA wurde vielmehr bereits vor Kriegsausbruch die Destabilisierung des Irak als Ziel angestrebt.  Das Anfang 1990 in Dresden abgehaltene Kolloquium, dessen Beiträge und Diskussionen hier abgedruckt sind, bewegte sich an der Schwelle zwischen alten Strukturen, neuen Möglichkeiten und nunmehr aufbrechenden Konflikten. Thematisiert werden etwa Perspektiven einer asiatischen Friedensordnung, Überlegungen zu einem neuen Realismus (Lösung der Probleme aus eigener Kraft) in Afrika oder Konfliktkonstellationen im Nahen Osten. In seinem eurozentrisch-friedenspolitischen Programm für die 90er Jahre plädiert D. Senghaas für eine Politik der Verteilungsgerechtigkeit, für den Schutz von Minderheiten, Menschenrechten und Grundfreiheiten. Auch das Verhältnis von äußerem und innerem Frieden wird in einem Beitrag angesprochen.   Mehrere Autoren betonen, dass die Dritte Welt in der gegenwärtigen Umbruchsituation nicht aus den Augen verloren werden darf. In Bezug auf das deutsch-deutsche Verhältnis fordert B. Löwe realistische Utopien als "Fahrpläne in die Zukunft". Er wendet sich gegen „Inkonsequente Lösungen", denn dadurch verspiele man das, was als "wünschenswerte Alternative zur BRD" realisiert werden könnte. Erwähnt seien noch die bemerkenswerten Ausführungen von M. Robbe. Für ihn lässt sich der Umbruch in Europa "nicht auf die Alternative Kapitalismus oder Sozialismus reduzieren". Seiner Ansicht nach würde ein modifizierter Kapitalismus in Entwicklungsländern und Osteuropa das alte West-Ost-Gefälle erneuern. Denn "aus einem bewussten Bruch mit dem Kapitalismus könnten Versuche erwachsen, eine sozialistische Alternative zu gestalten". Schließlich wird in einer den Beiträgen angeschlossenen Diskussion ein differenziertes Bild der vorgebrachten Meinungen gegeben. Das Scheitern des Sozialismus in seiner staatlichen Existenz ist inzwischen vorangekommen. Zu Siegesgeschrei des Kapitalismus besteht jedoch kein Anlass, er kann sich nicht einmal mehr am schwächeren Sozialismus orientieren. Die nunmehr folgende Bewährungsprobe wird zeigen, ob er imstande ist, den sich hinter den Kulissen abzeichnenden fundamentalen Wandel mitzumachen.

Die Welt nach dem Ost-West-Konflikt. Geschichte und Prognosen. Hrsg. v. Martin Robbe u. Dieter Senghaas. Berlin: Akademie-Verl., 1990.466 S., DM 29,-/ sFr 24,60 / öS 226,20