Thorsten Gromes, Bernhard Moltmann, Bruno Schoch

Die Überwindung der Gewalt

Ausgabe: 2018 | 3
Die Überwindung der Gewalt

Thorsten Gromes, Bernhard Moltmann und Bruno Schach haben sich Gedanken zur Rolle von Demokratisierung bei der Überwindung der Gewalt gemacht und zeichnen diese anhand dreier Fallbeispiele nach: Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Nordirland.

„Peace enforcement“ durch externe Demokratisierung wurde ab den 1990er-Jahren eine anerkannte Strategie für die Beendigung von Bürgerkriegen, welche jedoch bald ins Kreuzfeuer der Kritik geriet: von „Menschenrechtsimperialismus“ war die Rede, der letztlich nur machtpolitischen Interessen diene (S. 15ff.). Die Autoren betonen jedoch, dass „demokratischer Interventionismus“ nicht per se gescheitert ist: In Bosnien, im Kosovo und in Nordirland sicherte der Aufbau demokratischer Institutionen unter externem Druck den Frieden nachhaltig – obwohl gerade Bürgerkriege eine hohe Rückfallquote aufweisen (S. 37). 

In allen drei Fällen wurde eine Konkordanzdemokratie installiert – eine Demokratie mit Veto-Rechten und Autonomie für Minderheiten. Im Fall Bosniens hat das Friedensabkommen von Dayton (1995) ein austariertes System von Machtteilung geschaffen. Dadurch wurde garantiert, dass keine Ethnie in vitalen Fragen überstimmt werden kann. Gleichzeitig hat man damit auch die Totalblockade staatlicher Institutionen ermöglicht. Eine Versöhnung zwischen den Konfliktparteien fand nie statt, die Korruption ist endemisch und die Wirtschaft liegt am Boden. Doch es gibt regelmäßig freie Wahlen und politischen Wettbewerb, eine freie Presse und vor allem Frieden. Ähnliches gilt für Kosovo, wo die NATO 1999 auf ethnische Säuberungen durch serbische Truppen mit einer militärischen Intervention reagierte. Die Einbindung der serbischen Minderheit in die demokra- tischen Institutionen ist nur bedingt geglückt; vielmehr hat sich im Norden des Landes eine serbische Parallelgesellschaft etabliert. Diese hat kein Interesse, dem Staat Legitimation durch Partizipation zu verleihen. Korruption, mangelnde Aufklärung von Kriegsverbrechen und Druck auf Medien zeigen, dass keine Musterdemokratie geschaffen wurde. Dennoch hat die Präsenz von Friedenstruppen ethno-nationale Gewalt unterbunden.

Demokratisierung als Instrument gegen Gewalt

In Nordirland spielten die britischen und irischen Regierungen durch das Karfreitags-Abkommen (1998) eine zentrale Rolle bei der Beendigung des Konflikts. Auch hier wurde ein System der ethnischen Machtteilung geschaffen. Nach der Entwaffnung von Paramilitärs ging man dazu über, die früheren Kontrahenten in den politischen Prozess einzubinden. Ebenfalls im Fall Nordirlands lässt sich feststellen, „dass beide Seiten nicht grundsätzlich von widerstreitenden Positionen und Zukunftsvorstellungen abgerückt sind, jedoch die Bedingungen des Friedensarrangements akzeptiert haben“ (S. 118).

Das Fazit der Autoren: Demokratisierung als Instrument der Friedenskonsolidierung ist besser als ihr Ruf. Jedoch stößt die Strategie an Grenzen, wenn es um Aussöhnung und Aufbau einer funktionierenden multiethnischen Gesellschaft geht – hier braucht es Zeit: „Selbstverständlich hat sich das Kosovo nicht innerhalb einiger Jahre zu einer zweiten Schweiz verwandelt, und fast 20 Jahre nach dem Dayton-Abkommen darf es niemand wundern, dass Bosnien und Herzegowina in Sachen Demokratie nicht mit Schweden mithalten kann.“ (S. 168)