Hanno Rauterberg

Die Kunst der Zukunft

Ausgabe: 2021 | 4
Die Kunst der Zukunft

Kann Künstliche Intelligenz Kunst? Das ist die erste Frage, die sich Autor und Leser:innen in Hanno Rauterbergs Auseinandersetzung stellen. Ausgestaltet mit schier unzählbaren Beispielen, kunsthistorischen Ausflügen und befürwortenden wie kritischen Stimmen, bewegt man sich durch ein Labyrinth an Möglichkeiten, in dem wahrlich Orientierungsverlust droht, bis Rauterberg auf einen möglichen Ausweg mit der Schlussfolgerung weist, dass bei KI eine schwache Form der Kreativität vorliege. Doch während Künstler:innen sich für diese Form entscheiden könnten, bliebe der Maschine (noch) keine andere Wahl.

Hochphilosophisch und voraussetzungsreich folgen Annahmen und Konsequenzen des Traums einer kreativen Maschine und dem damit einhergehenden Traum des anderen Menschen – durch digitale Technik mächtiger denn je, ohne aber Verantwortung dafür übernehmen zu müssen. Eindrücklich führt Rauterberg durch diesen zweiten, umso komplexeren Irrgarten, vermittelt die Paradoxa der digitalen Moderne, die schizophren Freiheit und Kontrolle, Privatheit und absolute Öffentlichkeit miteinander verwebt und damit Werte wie Freiheit, Autonomie und Authentizität der Kunst ad absurdum führt. Er beschreibt die Utopie der Trans- und Posthumanist:innen, die eine postdualistische Zukunft schildern, in denen sich Mensch, Natur und Technik entgrenzen; in denen das Subjekt keine Existenzberechtigung mehr hat.

Die kreative Maschine erzeugt nach Rauterberg zugleich Immanenz und Transzendenz, indem sie einerseits der Logik der Kontrolle und absoluten Ausrechenbarkeit folgt, andererseits der Logik diesem selbstverordneten Zwang zu entgehen, um über sich selbst hinauszuweisen können. In der Vision der Transhumanist:innen erkennt der Autor aber auch, dass es am Ende eben eine menschliche Maschine sein wird, die Kunst erzeugt: „Je weiter sich der Mensch maschinisiert, desto tröstlicher wird der Gedanke, Maschinen könnten etwas von Kunst verstehen. Dann wüssten sie, was Verletzlichkeit bedeutet und was Unzulänglichkeit, sie wüssten um die Schönheit des nicht Vollendeten und um die Freiheit.“ (S. 195) Ob dieser erneute Fingerzeig zu einem potenziellen Labyrinthausgang nun tatsächlich den inneren Widerstand auflöst, der fortwährend bei diesem suchenden Spaziergang zu spüren war? Die Antwort dazu fällt unsicher aus.