„Unsterblich werden im Zeitalter Künstlicher Intelligenz“ – was kann man bei so einem Untertitel erwarten? Darstellungen, wie weit der Technikstand ist, um nach dem Tod in die Cloud geladen zu werden und so fast lebensecht weiterzuleben, wie in der Serie Upload? Wie man dem eigenen Tod möglicherweise gänzlich entgehen kann? Oder zumindest eine Entzauberung dieser Idee, eine Einordnung des technisch Machbaren, eine Reflexion über die sozialen Zusammenhänge? Das zumindest war meine Erwartungshaltung, als ich das Buch aufschlug, um diesen Punkten auf über 500 Seiten nachzugehen. Antworten darauf habe ich nur einige bekommen, dafür aber auf ganz andere Fragen.
Digitale Avatare erschaffen
Wir begleiten die Autoren Moritz Riesewieck und Hans Block – beide übrigens Theater- und Filmregisseure – bei einer Reise um die Welt, in dessen Verlauf sie mit vielen Menschen, Gründerinnen und Gründern sprechen, die dem Tod ein Schnippchen schlagen wollen. Um die Verlängerung der eigenen Existenz geht es hier allerdings meist nicht, vielen der Personen ist dagegen dieser Ansatz gemein: Aus den gesammelten Daten von Verstorbenen werden digitale Avatare geschaffen, die mit uns – mehr oder weniger realitätsnah – interagieren. Während der Vorstellung dieser Geschichten unternehmen wir einige Ausflüge in die Welt der Mythen rund um den Tod, auch der Widerstand und das Unwohlsein vieler Menschen gegenüber digi-talen Unsterblichkeitsfantasien wird herausgearbeitet: Ist das überhaupt im Sinne des oder der Verstorbenen, ist es mit unseren religiösen oder auch moralischen Grundsätzen vereinbar? Ist das alles sozial wünschenswert? Die Pietät der Leserinnen und Leser wird hier mitunter durchaus herausgefordert. Insgesamt ein Großteil der Ausführungen widmet sich persönlichen Schilderungen über den Umgang mit dem Tod. Schilderungen der besuchten Menschen, der Autoren und Angehörigen.
Unser Umgang mit dem Tod im digitalen Zeitalter
Die eingangs benannte Erwartungshaltung wird im Laufe der Lektüre also offensichtlich nicht erfüllt. Die dargestellten Ansätze beschreiben vielmehr die Digitalisierung eines Nachrufs, schaffen „neue Orte des Erinnerns“ (S. 40), als dass sie uns tatsächlich einen Weg zeigen dem Sterben zu entgehen. Es geht um den Umgang von Menschen mit dem Tod im digitalen Zeitalter. So oder so ähnlich hätte dann vielleicht auch ein passender Buchtitel lauten sollen.
Das Fazit: Die Autoren zeigen das Für und Wider hinsichtlich der Anfertigung digitaler Kopien von Verstorbenen auf, deutlich werden die Hoffnungen wie auch das Unwohlsein im Vorhinein des Prozederes; sichtbar werden die gemischten Gefühle bei entsprechenden Bot-Interaktionen. Ihre Reise zeigt Hintergründe, Personen und verschiedenste Projekte, sie unternehmen Abstecher in sozialwissenschaftliche Gefilde. Am Ende geht es aber um die Seele und damit verbunden um Spiritualität, Glaube und (Quasi-)Religiosität – für die Lebenden, nicht für die Toten.
Für den Einstieg in die Thematik digitaler Zwillinge und Unsterblichkeitsfantasien ein schönes, sehr umfassendes Buch. Für jemanden, der sich damit bereits auseinandergesetzt hat, findet sich wenig Neues. Der Stand der Technik kann beeindrucken, die oft langatmigen und teils theatralischen Erzählungen sind dagegen Geschmackssache.