In der Pariser Charta der Staats- und Regierungschefs von 1990 heißt es: "Das nun ungeteilte und freie Europa fordert einen Neubeginn. Wir rufen unsere Völker dazu auf, sich diesem großen Vorhaben anzuschließen ... " Die gegenwärtige Sicherheitsarchitektur in Europa, bestehend aus nicht weniger als fünf internationalen Organisationen (NATO, EU, WEU, GUS und OSZE) scheint dieser Vorgabe indes nicht gerecht zu werden. Keine der Organisationen scheint dafür gerüstet, mit den vielfältigen Problemen europäischer Sicherheit auch nur annähernd fertig zu werden. Deshalb hat sich das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg die Aufgabe gestellt, ausgehend von den strukturellen Mängeln der bestehenden Einrichtungen, den Entwurf einer effizienten, funktions- und akzeptanzfähigen gesamteuropäischen Sicherheitsorganisation vorzulegen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, daß für Europa die Bereitschaft nötig ist, im Sicherheitsbereich nationale Kompetenzen auf eine übernationale Ebene zu übertragen. Nach einer detaillierten Beschreibung der gegenwärtigen Situation, die mit Kritik an der OSZE und den anderen Organisationen nicht zurückhält, plädieren die Autoren für eine Europäische Sicherheitsgemeinschaft (ESG), die an den Grundprinzipien der Vereinten Nationen orientiert sein sollte. Die Gewaltoption, "die letzte Zuflucht des Rechts auf Sicherheit, (wird) aus der Verfügung der Einzelstaaten bzw. ständiger oder zeitweiliger Interessenkoalitionen in die Obhut der internationalen Rechtsgemeinschaft überführt". Im Einzelnen werden die charakteristischen Merkmale dieses Sicherheitskonzeptes ebenso beschrieben wie die Organisation und Struktur der ESG sowie mögliche Maßnahmen und Aktivitäten, die zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Friedens nötig sind. Betont wird, daß in jedem Falle die Ausschöpfung aller zivilen Bemühungen dem Einsatz militärischer Mittel vorauszugehen hat. Am Schluß bleibt die Frage, ob dieses engagierte und vielversprechende Sicherheitsmodell den notwendigen politischen Willen findet, der vonnöten ist, um es auch umzusetzen. A.A.
Die europäische Sicherheitsgemeinschaft. Das Sicherheitsmodell für das 21. Jahrhundert. Hrsg. v. d. Stiftung Entwicklung und Frieden. Red.: Andreas Gettkant. Bonn, 1995. 360 S. (Eine Welt; 15)