Der Klima-Gau. Erdöl, Macht und Politik

Ausgabe: 1998 | 2

Während mit den Debatten darüber, ob der globale Klimawandel tatsächlich wissenschaftlich erwiesen sei, die Beschwichtiger wieder Oberhand zu gewinnen scheinen, sprechen die aktuellen Wetterdaten eine deutliche Sprache: Die Extremregenfälle, Schneestürme und Hurrikans nehmen zu, die Dürreperioden weiten sich aus. Betrugen die durch wetterbedingte Katastrophen verursachten Versicherungsschäden in den 80er Jahren weniger als 2 Mia. Dollar jährlich, schnellte diese Summe, wie die ”Münchener Rück" errechnete, von 1990-1995 auf mehr als 10 Mia. jährlich hoch.

Ross Gelbspan verzeichnet in seiner Abhandlung nicht nur zahlreiche meteorologische und biologische Belege für den stattfindenden Klimawandel sowie dessen wirtschaftliche Folgen, sondern - und das gibt dem Buch die Brisanz - er durchleuchtet detailreich auch die Täuschungsmanöver der Kohle- und Erdölindustrie, mit de-  nen die öffentliche Diskussion im Kontext der "UN-Klimagipfel" verhindert werden sollttel Der Redakteur und Herausgeber des Boston Globe zeigt auf. wie die US-Kohle- und Erdöllobby etwa durch ein hierfür geschaffenes "Information Council on the Environment" den „Treibhaus-Skeptikern" um Fred Singer publikumswirksame Medienauftritte verschaffte, wie mit Millionenaufwand eigene Wetterberichte veröffentlicht sowie Bücher, Videos und selbsternannte "Wissenschaftsmagazine" finanziert und verbreitet wurden, wie Vertreter des UN-Klimabeirates persanlieh diffamiert und wie schließlich Einfluß auf die Politik genommen wurde. "Demokratisch legitimierte Bücherverbrennung" nennt der Journalist den politischen Mißbrauch der Wissenschaft, indem mit Hilfe von Kritikern der UN-Klimaprognosen im Kongreß die Mittel für weitere Forschungen zum anthropogenen Einfluß auf das Klima gestrichen und einschlägige Institute wie das "Office of Technology Assessment", ein überparteiliches Expertengremium zur Prüfung und Beurteilung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die politische Entscheidungsfindung, aufgelöst wurden. (Im Anhang des Buches werden Stellungnahmen von Klimaforschern zu den Kongreßaussagen der ,,Treibhaus-Skeptiker" um Fred Singer abgedruckt.)

Gelbspan schreibt mit seinem engagierten Bericht gegen die Verdrängung - er spricht von "Anschlägen auf den Realitätssinn" - an und fordert rasches und entscniedenterles Handeln: "Den jungen Menschen heute schulden wir mehr als eine Flut von Informationen - sie brauchen eine Lösung." (S. 164) Nach dem Vorbild des Montrealer Protokolls zum Verbot von Ozonvorläufersubstanzen schlägt er "einen Zehnjahresplan zum Auslaufen der Verfeuerung fossiler Brennstoffe" (S. 177) vor. Eine von den Regierungen getragene internationale Agentur soll die Kontrolle "der Milliardengewinne aus Kohle, Öl und Gas übernehmen" und diese "schrittweise in einen Fonds zur Finanzierung alternativer Energieproduktion" (von Wind- und Solarenergie bis Wasserstoff) überführen (S. 177f). Der Autor setzt auf die Mitwirkung der Gewinner-Industrien des Wandels, ist aber überzeugt, daß der Umstieg nur durch international akkordierte politische Einflußnahme gelingen könne.


H. H.

Gelbspan, Ross: Der Klima-Gau. Erdöl, Macht und Politik. München: Gerling Akademie Verl., 1997. 248S., DM 56,- / sFr 51,- / öS 409,-