Lars Holstenkamp, Jörg Radtke

Handbuch Energiewende und Partizipation

Ausgabe: 2018 | 4
Handbuch Energiewende und Partizipation

Die Energiewende wäre ohne Beteiligung der BürgerInnen nicht zu schaffen, mehr noch, sie setze deren aktive Teilnahme voraus, denn die Energiewende, die das Ziel verfolgt das Zeitalter der erneuerbaren Energie so rasch wie möglich zu erreichen, führe zu „Veränderungen der Lebensstile und der Konsummuster“ (S. 1160). Das Forschungsfeld der partizipativen Energiewende beschäftigt sich unter anderem mit der Betreibung von alternativen Energieanlagen durch engagierte BürgerInnen oder aber auch Institutionen aus dem öffentlichen Sektor. Und hier sind sich alle AkteurInnen einig: ein demokratisches System des Austausches zwischen BürgerInnen, Staat, Wirtschaft und Energietechnik ist für eine Transformation unabdingbar.

Der Energiewende – vorwiegend in Deutschland, Österreich, aber auch anderen Ländern – widmet sich dieses rund 1200 Seiten starke Handbuch, herausgegeben von Jörg Radtke und Lars Holstenkamp. In insgesamt 68 sozial- und geisteswissenschaftlichen Beiträgen werden Beispiele der inter- und transdisziplinären Energieforschung beschrieben. So wird etwa der Frage nachgegangen, wie Transformation gelingen kann, aktuelle Entwicklungen, Chancen und Grenzen von BürgerInnenbeteiligung im Bereich der Energiewende werden aufgezeigt. Man erfährt Näheres zu gesamtgesellschaftlichen Trends oder zur Einflussnahme und Nutzung medialer Kommunikationsformen der AkteurInnen. Der Band bringt fundierte, praxisnahe Beispiele von Bottom-Up Initiativen im Bereich partizipativer Photovoltaik-, Wasser- und Windkraftprojekte, u.a. auch in skandinavischen Ländern, behandelt das Thema Geothermie und bietet Einblick in aktuelle Fördermechanismen im deutschen und internationalen Ländervergleich. Erfolgreiche kommunale Partizipationsprojekte – etwa in Australien, Neuseeland oder Kanada – werden ebenso vorgestellt. Vor allem Australien beweist, dass trotz geringer politischer Unterstützung und gegenwärtig kaum vorbildhafter Klimapolitik, kommunale Partizipationsprojekte von Erfolg gekrönt sein können. Jährlich werden australische Kommunen und Organisationen ausgezeichnet, die teils von Spenden, teils von BürgerInnen finanziert umgesetzt werden. Ob Solarparks oder Windenergieanlagen, die Anzahl partizipativer Projekte, mit dem Ziel autark und vor allem nachhaltig Energie zu gewinnen, nimmt jährlich zu. Australien „ist reich an Bodenschätzen wie Stein- und Braunkohle, Erdgas, Uran, Eisen und anderen Edelmetallen. Andererseits verfügt es über eine noch zu wenig genutzte Fülle von erneuerbaren Energiequellen“ (S. 923), so die Autorin Franziska Mey.

Alternative Formen der Beteiligung

Die Beteiligungsbereitschaft etwa bei demokratischen Wahlen würde abnehmen, man beobachte jedoch einen Trend, dass BürgerInnen alternative Formen der Beteiligung fordern würden. Neben der politischen, konsultativen, oder direktdemokratischen Partizipation könne bürgerschaftliches Engagement, z.B. im Rahmen von Bürgerenergieanlagen, als „soziale Partizipation“ (S. 763) bezeichnet werden. Die Energiewende bedürfe auch einer Bildungs- und damit einhergehend einer Bewusstseinswende. Für die großen Herausforderungen müssten wir Kompetenzen mitbringen, um im ersten Schritt das individuelle Verhalten kritisch zu reflektieren und dann in Folge eine nachhaltige Entwicklung und Veränderung aktiv mitzugestalten. „Dazu sind individuelle Kompetenzen erforderlich, deren Erwerb durch Bildung für nachhaltige Entwicklung gefördert werden soll.“ (S. 463) In Deutschland könne man im Hinblick auf die Einbindung der Bevölkerung und der Offenheit gegenüber partizipativen Verfahren von Seiten der Verwaltung und Politik hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, so die Herausgeber. Positive Beispiele gelebter Partizipation und freiwilligen Engagements im Energiebereich liefern in Deutschland vor allem die Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Berlin.

Ein umfassendes und detailreiches Handbuch für Studierende und Lehrende der Geistes-, Sozial-, Wirtschafts-, Umwelt- und Technikwissenschaften, für politischen EntscheidungsträgerInnen und allen in diesem Bereich Engagierten, die sich ein umfassendes Wissen zu diesem hochaktuellen Thema verschaffen wollen. D. B.