Klaus Taschwer, Andreas Huber, Linda Erker

Der Deutsche Klub

Online Special
Der Deutsche Klub

Wer sich mit der jüngeren politischen Geschichte Österreichs beschäftigt, stößt fast zwangsläufig auf ein schwer eingrenzbares politisches Milieu, in dem sich vor allem in der Zwischenkriegszeit „betont nationale“, bürgerliche sowie katholische Nationalsozialisten zusammenfanden und – bei allen mitunter vorhandenen Differenzen – nicht nur auf eine baldige Vereinigung mit Deutschland hofften, sondern aktiv an der Verwirklichung einer ebensolchen arbeiteten. Umso verwunderlicher ist es daher, dass eine der wichtigsten Vernetzungsplattformen dieses Milieus, der „Deutsche Klub“ in der historischen Forschung in den letzten Jahrzehnten – wenn überhaupt – nur sehr stiefmütterlich behandelt wurde. Es ist daher sehr erfreulich, dass Andreas Huber, Linda Erker und Klaus Taschwer mit ihrer kürzlich erschienenen Monografie Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg nun einen wichtigen Impuls für Forschungen zum recht(sextrem)en Intellektuellenmilieu Österreichs der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geliefert haben.

Bereits in der Einleitung wird deutlich, dass es sich beim Deutschen Klub nicht um eine gemütliche Altherrenrunde handelte, sondern dass hier handfeste Ziele verfolgt wurden: Nicht weniger als fünf Mitglieder des Deutschen Klubs wurden im März 1938 als Regierungsmitglieder der neuen nationalsozialistischen Regierung angelobt. Zahlreiche weitere Mitglieder des Klubs rückten in diesen Tagen in Leitungspositionen in fast allen Bereichen der Gesellschaft auf und übernahmen hier teils federführend die „rassischen“ und politischen „Säuberungen“ des gleichzuschaltenden und in Auflösung begriffenen Österreichs.

Der Deutsche Klub als Personalressource

Ausgehend von dieser Skizzierung des „Höhepunkts der Macht“ dieses Milieus, zeichnen die Autorinnen und Autoren eindrücklich nach, wie es dazu kommen konnte, dass gerade der Deutsche Klub zu einer so bedeutenden Personalressource für die tiefgreifenden Veränderungen im Zuge des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich werden konnte. So wird anschaulich gezeigt, wie der 1908 gegründete Deutsche Klub bereits seit seiner Anfangsphase sowohl deutschnationale als auch antisemitische Positionen vertrat und sich ab dem Ende der Habsburger-Monarchie zunehmend radikalisierte. Dass der Deutsche Klub mit seinen etwas mehr als tausend (ausschließlich männlichen) Mitgliedern (Höchststand) nichtsdestoweniger bereits lange vor 1938 mehr als nur eine Nähe zu Schaltstellen der politischen Geschicke Österreichs entwickeln konnte, zeigt nicht nur die räumliche Situation des Deutschen Klubs, der zwischenzeitlich auch in repräsentativen Räumlichkeiten in der Hofburg zusammentreffen konnte. So können die Autorinnen und Autoren auf Basis ihrer akribischen Recherchen beispielsweise belegen, dass auch eine ganze Reihe von Regierungsmitgliedern der Ersten Republik Teil des Deutschen Klubs waren.

Anhand vieler weiterer konkreter Beispiele (so etwa in Bezug auf die österreichische Medienlandschaft der Zwischenkriegszeit), die in der vorliegenden Monographie zu einem leicht zu folgenden Erzählstrang verdichtet worden sind, wird deutlich, welch wichtige Vernetzungsplattform des recht(sextrem)en Lagers und Umschlagplatz radikaler Ideen der Deutsche Klub darstellte. Im Laufe der Detailstudie wird so immer offensichtlicher, wie der Klub und seine Mitglieder damit vor allem in den 1930er-Jahren den Weg für den im März 1938 erfolgten „Anschluss“ ebneten.

Ein lesenswerter Einblick in die Geschichte Österreichs

Dass mit dieser neuen Veröffentlichung nun auch die Geschichte des mit dem Deutschen Klub eng verwobenen Geheimbunds der Deutschen Gemeinschaft, die zwar in einer vor mittlerweile 50 Jahren erschienenen Dissertation von Wolfgang Rosar erstmals näher beleuchtet wurde, aber seitdem nur marginal weiterbeforscht wurde, wieder in den Fokus der österreichischen Zeitgeschichtsforschung gerückt wird, ist ein weiterer Verdienst dieses Werks. Auch wenn – gerade wegen des klandestinen Charakters der Deutschen Gemeinschaft – hier nach wie vor vieles im Dunkeln bleiben muss.

Es ist zudem als weitere Qualität des Buchs hervorzuheben, dass die Ausführungen nicht mit der „umkämpfte Auflösung“ des Klubs Ende 1939 enden, sondern sowohl die weiteren Karrieren einzelner Klub-Mitglieder im NS-System und danach, als auch die Wiederauferstehung des Deutschen Klubs als „Neuer Klub“ in den 1950er-Jahren und die Frage ideologischer Kontinuitäten in diesem Nachfolgeverein bis in die Gegenwart beleuchtet wird. Nicht zu Unrecht verspricht der Klappentext des Buchs daher, dass die Publikation auch aufzeigt, wie sehr die in der Ersten Republik gebildeten Netzwerke dieses Milieus in die Zweite Republik nachwirkten.

Über die Treffsicherheit des von den Autorinnen und Autoren geprägten Begriffs „Austro-Nazis“, dessen Genese in der vorliegenden Publikation leider nur sehr knapp erläutert wird, kann man streiten, lässt er doch besonders in Hinblick auf die auch im Kontext des Deutschen Klubs stellenweise sichtbar werdenden Differenzen zwischen katholisch bzw. deutschnational sozialisierten Mitgliedern des Vereins eine gewisse Trennschärfe vermissen. Diese Definitions-Frage, die hoffentlich in durch das vorliegende Buch motivierten zukünftigen Forschungsarbeiten noch eingehend diskutiert werden wird, soll aber den Gesamteindruck dieses Werks nicht schmälern: Huber, Erker und Taschwer haben mit ihrer jüngsten Zusammenarbeit einen äußerst lesenswerten Einblick in die politische Geschichte Österreichs vorgelegt.