Der Aufstieg der anderen

Ausgabe: 2009 | 2

Nicht die Schwäche der USA, sondern der Aufstieg anderer Staaten, allen voran, China, Indien, Russland und Brasilien, führe zu einer globalen Machtverschiebung, so die Ausgangsthese von Fareed Zakaria, in Bombay geborener, in den USA tätiger Politikwissenschaftler und außenpolitischer Redakteur verschiedener Medien. Den bisherigen beiden großen welttektonischen Verschiebungen, dem Aufstieg des Westens seit dem 15. Jahrhundert und dem Aufstieg der Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert, folge nun die dritte, eben der „Aufstieg der anderen“. Auch wenn die Neuordnung der Welt insbesondere ökonomisch bedingt sei, habe dies auch politische Folgen, argumentiert der Autor: „Mit zunehmender Macht und steigendem Wohlstand werden aufstrebende Nationen selbstbewusster auftreten und die USA, die darum ringen müssen, das Vertrauen der Welt zurück zu gewinnen, stärker herausfordern.“ (S. 21) Zum ersten Mal erlebten wir heute, so der Autor, „echtes globales Wachstum“ (S. 31). Dadurch entstehe ein internationales System, „in dem Länder aus allen Teilen der Welt nicht mehr Objekt oder Beobachter, sondern Akteure aus eigenem Recht sind.“ Dies sei die „Geburt einer wahrhaft globalen Ordnung.“ (ebd.)

 

Kenntnisreich schildert Zakaria den Aufstieg der Volkswirtschaften von China und Indien, den neuen Global Players. Anders als Khanna sieht er keine Gefahr einer militärischen Konfrontation, da die ökonomischen Interessen aller Beteiligten überwiegen würden, wie dieser rät er den USA jedoch zur Kooperation und der Akzeptanz einer veränderten Welt. Wenn der Irakkrieg und die Außenpolitik von George W. Bush in den Augen der Welt der militärisch-politischen Macht die Legitimitätsgrundlage entzogen habe, so der Autor pointiert, „dann hat die Finanzkrise der wirtschaftlichen Macht Amerikas die Legitimation entzogen“ (S 20). Eine Hauptursache für diese sieht Zakaria im enormen ökonomischen Wachstum der letzten Jahrzehnte, das – da ist er sich mit anderen einig – in den USA zuletzt jedoch auf Pump finanziert worden sei. Da komme nun China ins Spiel: „China hält heute den weltweit höchsten Schuldschein in Händen, und er trägt die Unterschrift von Uncle Sam.“ (S. 17). Doch auch China, das mit seinen Dollarreserven die eigene Währung niedrig und damit die Exporte günstig gehalten habe, müsse Interesse daran haben, die Schieflage zu verlassen, um in die Konsolidierung der eigenen Märkte investieren zu können. Das beste Szenario für China und die Vereinigten Staaten bestünde daher in Zusammenarbeit, „um den gegenseitigen Selbstmordpakt langsam zu lösen.“ (S. 18) In Anlehnung an einen Kollegen spricht der Autor von „Chimerika“, was die Verzahnung der beiden Mächte deutlich macht.

 

Gegen Ende der Abhandlung rät Zakaria seinem Land mit einigen Richtlinien: Die USA müssten Prioritäten setzen und die eigenen Kräfte realistisch einschätzen (ein innenpolitisches Klima, „in dem tendenziell jegliches Entgegenkommen und Nachgeben als Beschwichtigungspolitik angesehen wird“ (S. 268), sei dem hinderlich; sie müssten „allgemeine Regeln, nicht eng begrenzte Interessen“ formulieren“ und internationale Legitimität zurückgewinnen (die unter Clinton noch gegeben gewesen, von den Bushs aber verspielt worden sei), nicht zuletzt müssten die USA die jeweils passenden Strategien finden (Zakaria kritisiert etwa den Versuch, in Afrika durch erhöhte Militärpräsenz Fuß zu fassen, was den Antiimperialsimus schüren könne; mit Mark Twain gesprochen stünden die USA vor dem Dilemma, dass jener, der einen Hammer  besitzt, jedes Problem als Nagel wahrnehme).

 

Auch dieses Buch ist vor der Ära von Barack Obama verfasst worden; im Vorwort zur deutschen Ausgabe vom Jänner 2009 nennt der Autor als dessen große Herausforderung, ein neues System der internationalen Beziehungen aufzubauen, das mit Blick auf die Probleme, vor denen wir stünden (etwa der Klimaerwärmung oder dem Hunger) „effektiv ist und in das sich die aufsteigenden Mächte der Welt einbezogen fühlen.“ (S. 27) Das sei das große Projekt des 21. Jahrhunderts: „eine neue Architektur, die der Welt Frieden, Wachstum und Freiheit garantiert“ (ebd.). H. H.

 

Zakaria, Fareed: Der Aufstieg der anderen. Das postamerikanische Zeitalter. München: Siedler, 2009. 304 S., € 22,95[D], 23,60 [A], sFr 40,10; ISBN 978-3-88680917-2