Globale Armutsbekämpfung – ein trojanisches Pferd?

Ausgabe: 2009 | 2

Wirft man einen Blick auf die weltweiten Rüstungsausgaben und die Geschäfte, die mit dem Krieg gemacht werden, wie dies Gunther Hauser in einem aktuellen Band des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) tut, so wird deutlich, wie aggressionsgeladen die internationalen Beziehungen, jene der westlichen Demokratien an vorderster Stelle, nach wie vor sind. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI beziffert die globalen Militärausgaben auf insgesamt fast 1,34 Billionen Dollar, das bedeutet einen Anstieg um 45 Prozent seit 1998, als noch an die Friedensdividende nach dem Kalten Krieg geglaubt wurde. Mit 45 Prozent tragen die USA fast die Hälfte aller Militärausgaben, gefolgt von Großbritannien und China mit je fünf Prozent, dahinter liegen Frankreich, Japan, Deutschland, Russland und Saudi-Arabien. Statistisch fielen im Jahr 2007 auf jeden Menschen 202 US-Dollar für Rüstung. Zur Verwirklichung der von der UNO verkündeten Millenniumsziele zur Halbierung der Armut bis 2015 wären jährlich etwa 20 US-Dollar pro Person notwendig, so weitere Zahlen Hausers. Auch bei den Waffenexporten liegen große Demokratien weit vorne, die USA führen mit 31 Prozent, gefolgt von Russland (26 Prozent), Deutschland (10 Prozent), Frankreich (9 Prozent) und GB (4 Prozent, jeweils 2003-7). Aufschlussreich ist auch der Einfluss der Rüstungslobbys auf die Politik, wie Rüstungsarbeitsplätze und Wahlhilfen in den USA zeigen (s. Kasten)

 

Rüstung vergeudet nicht nur Ressourcen, sondern sie schürt direkt wie indirekt auch Konflikte und Gewalt, wie weitere Beiträge des von Thomas Roithner redigierten Friedensforschungsbandes zeigen, etwa „Armut schafft Kriege – nicht immer, aber fast überall“ (A. Zumach), „Die Kriege der Armen mit den Waffen der Reichen“ (E. Altvater) oder „Globalisierung, Armut und Konfliktdynamik“ (C. Haydt). Dass dabei auch die häufig als gegenüber den USA besonnen und auf Deeskalation ausgerichtet wahrgenommene Politik der EU Militarisierungstendenzen aufweist, zeigen nicht nur Ausführungen über die Rüstungsexporte, die von EU-Staaten in alle Welt getätigt werden (wenn auch in Krisengebieten eingeschränkt, wie das Entwicklungsprogramm für die AKP-Staaten „Anything without arms“ zeigt), sondern auch die Außenpolitik selbst. Thomas Roithner spricht von einem Paradigmenwechsel „von der militärischen Sicherheit zur Militarisierung der menschlichen Sicherheit“ auch in der EU.

 

Wie nachhaltige Entwicklung auf der Basis einer die Ernährung sichernden Landwirtschaft und Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs herstellende Kleinindustrie gelingen kann, ohne sich auf die internationale Schuldendynamik sowie eine problematische internationale Arbeitsteilung einzulassen, macht Dieter Senghaas in seinem bedenkenswerten Beitrag in Würdigung des zu Unrecht vergessenen Ökonomen Friedrich List (1789-1846) deutlich.

 

In Summe zeigen die Beiträge, dass angesichts der ökonomischen Disparitäten in der Welt sowie der riesigen Summen, die in die Rüstung gesteckt werden, die gegenwärtigen Entwicklungshilfe-„Anstrengungen“ nur Lippenbekenntnisse sind, die wohl eher der Selbstberuhigung als einem tatsächlichen Ausgleich der Weltdisparitäten dienen. Gerald Mader, dem Präsidenten des ÖSFK, ist zuzustimmen wenn er einleitend meint, dass wir bei der Suche nach den Ursachen der Armut nicht so sehr bei den Armen suchen sollen, vielmehr sei die „Armut ein Armutszeugnis für die Anderen, für die Gesellschaft und vor allem für die Politik – der USA, aber auch der EU.“ (S. 19) H. H.

 

Globale Armutsbekämpfung – ein trojanisches Pferd? Auswege aus der Armutsspirale oder westliche Kriegsstrategien? Hrsg. v. Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung. Wien (u.a.): LIT-Verl., 2008. 363 S., € 9,80 [D], 10,10 [A] sFr 16,70

 

ISBN 978-3-7000-0899-6