Der Kampf um die zweite Welt

Ausgabe: 2009 | 2

Weniger zuversichtlich als Pilny was die Friedlichkeit der zukünftigen Weltentwicklung anlangt ist der in den USA lebende Politikberater Parag Khanna. Er spricht – wie der Titel seines Buches „Kampf um die zweite Welt“ nahe legt - von einer wachsenden Rivalität der drei das 21. Jahrhundert bestimmenden Großmächte USA, Europa und China um Einflusssphären. Hegemonialkonflikte von Großmächten hätten im 20. Jahrhundert zu zwei Weltkriegen geführt, daher sei übergroßer Optimismus, dass dies im 21. Jahrhundert anders sein könne, Fehl am Platz. Denn zum ersten Mal in der Geschichte gebe es eine „multipolare und multikulturelle Welt mit drei sehr unterschiedlichen Supermächten, die auf einem Planeten mit schrumpfenden Rohstoffvorkommen miteinander konkurrieren“ (S. 494) Möglich sei die Herausbildung dreier „Panregionen“: die USA könnten sich auf der Suche nach kostengünstigen, wettbewerbsfähigen Produktionszentren und alternativen Energiequellen wieder verstärkt Lateinamerika zuwenden, die EU im Interesse ihrer Energieversorgung ihre Wirtschaftsbeziehungen zur arabischen Welt vertiefen und China zunehmend die Handels- und diplomatischen Beziehungen im Fernen Osten gestalten. In dem Maße, wie sich die relativen Machtniveaus der drei Supermächte annähern, wachse, so der Geostratege, „die Versuchung für die Nummer zwei, die Nummer eins vorbeugend auszuschalten, genauso wie der Anreiz für die führende Macht zunimmt, ihren aufsteigenden Rivalen präventiv anzugreifen und zu schwächen, bevor sie selbst entmachtet wird.“ (S. 496) Da heimliche, globale Eskalationen andauern, gäbe es vielfältige und immer mehr potenzielle Funken: „der Wettstreit um Ressourcen am Kaspischen und Südchinesischen Meer, ein Hyperterrorismus mit Kernwaffen, ein Angriff im Golf von Aden oder der Malakkastraße“ (S. 497). Die unsicheren Loyalitäten zweitrangiger, aber trotzdem starker Mächte wie Russland, Japan und Indien könnten ebenfalls zu einer Eskalation führen. „Außerdem könnten die ausländischen Kreditgeber der USA den Stecker rausziehen, um deren übergeordnete strategische Ziele zu konterkarieren.“ Nicht zuletzt bringe Krieg dem „militärisch-industriellen Komplex Profit und werde immer von den großen patriotischen Lagern auf allen Seiten unterstützt“ (ebd.).

 

Wie lässt sich die Konfrontation verhindern? Nur durch einen „imperialen Balanceakt“, indem die USA, die EU und China „gemeinsam die Regeln des geopolitischen Spiels festlegen“ (S. 500). Die USA hätten ihre Macht zu zügeln, China müsse aktiv in die internationale Diplomatie eingebunden werden, zum Beispiel in die Beratungen der Internationalen Energieagentur. Die ökonomische Verflechtung durch die Globalisierung allein könne, so die Überzeugung von Khanna, die „geopolitischen Zyklen von Weltkriegen nicht durchbrechen“, denn diese „höchste Aufgabe der Geschichte“ erfordere mehr als „einen blinden Glauben an Rationalität“. Tatsächlich beweise die Geschichte, „dass die Menschheit oftmals alles andere als vernunftgeleitet ist, und dies häufig gerade dann, wenn sie am dringendsten auf die Vernunft angewiesen wäre“ (S. 502). Wir könnten unseren zukünftigen Kurs nur ändern, so die Schlussfolgerung des Autors, der für diesen Band die ganze Welt bereist hat, „wenn wir gründlich Bescheid wissen über die politische Dynamik in der Zweiten Welt, wenn die Supermächte sich gegenseitig genau verstehen und wenn die Politik so vorausschauend und flexibel agiert, dass stabile Beziehungen zwischen ihnen geschaffen und aufrechterhalten werden“ (S. 502). Ein warnender Befund eines Autors, der sein eigenes Land, die USA , zur Mäßigung aufruft. Vielleicht gelingt diese in der Ära „Obama“, die der Autor noch nicht berücksichtigen konnte – anders als die „Bushs“ kommt „Obama“ im Namensregister nicht vor – noch steht seine Geschichte bevor! H. H.

 

Khanna, Parag: Der Kampf um die zweite Welt. Imperien und Einfluss in der neuen Weltordnung.

 

Berlin: Berlin-Verl., 2008. 623 S. € 26,- [D], 26,80 [A], sFr 44,20; ISBN 978-3-8270-0599-1