Das Grundgesetz vom Aufstieg

Ausgabe: 1989 | 4

Bereits im Titel wird die Kontroverse mit dem Grundgesetz vom Niedergang signalisiert. "Der Grund für den Niedergang liegt nämlich nicht im Entropiegesetz, sondern In der ganz gewöhnlichen menschlichen Dummheit, Trägheit und Gier- und in ein paar anderen Todsünden." Er ist also nicht unvermeidlich, sondern durch Einsicht beeinflußbar. Kafka sieht im Evolutionsprozeß die Entstehung immer höherer Komplexität durch evolutionäre Selbstorganisation. Zugleich macht er durchaus auch Zeichen des Niedergangs durch menschliches Handeln aus. Verantwortlich dafür ist aber nicht (wie bei Schütze) die Zeit als solche, sondern die Eile. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Aufstieg und Niedergang hat mit der Änderungsgeschwindigkeit, "also mit der Zeit, die fürs Abtasten benachbarter Möglichkeiten und für die Selektion von Wertvollerem zur Verfügung steht" , zu tun. Damit Aufstieg das Wahrscheinlichere bleibt sind "Vielfalt und Gemächlichkeit" statt "Einfalt und Eile“ geboten. Die Mehrheit sollte sich vom verzweifelten Hoffen auf wissenschaftliche Weltverbesserung emanzipieren und selbst Prioritäten setzen. Gegen den Aufruf zur Gewalt (Anders)setzt Kafka auf gewaltlose Änderung und, variiert Wittgenstein. um den Ernst der Lage anzudeuten: "Worüber man nicht reden kann, davon muß man stammeln!

Trotz zahlreicher interessanter und zukunftsweisender Ansätze verblüfft der Autor mit einigen zweifelhaften Aussagen. Grün-konservatives Denken bezeichnet er als fortschrittsfeindlich. Und deshalb wollen dieselben' Leute, die uns schon die freie Energie aus Atomkraft abzuwürgen drohen, uns Wissenschaftler nun auch dabei behindern, unendlich viel mehr Möglichkeiten der Genkombination abzutasten". Wer den Menschen nicht nur als Teil der Natur, sondern unbestreitbar als „Front der Evolution" sieht, der reiht sich unter jene ein, die einem überholten, Mittelpunktsund Fortschrittsglauben das Wort reden.

Kafka, Peter: Das Grundgesetz vom Aufstieg. Vielfalt, Gemächlichkeit, Selbstorganisation: Wege zum wirklichen Fortschritt. München: Hanser, 1989. 168 S.