Das " Kreativitätspotential des Sozialen" habe kaum noch Verbindung zur "Politik der Institutionen", dennoch sei "das kommunale Terrain offener für politische Lernprozesse und Gestaltungsexperimente" (S. 6), die auf mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung abzielen. Dies nennt Theo Bühler als Motivation für den vorliegenden Band, der auf eine Tagung der Stiftung Mitarbeit zurückgeht und unterschiedliche Beispiele kommunaler BürgerInnenmitbestimmung vorstellt.
In gleich drei Beiträgen wird der Trend zur Direkten Demokratie v. a. auf kommunaler Ebene thematisiert (1996 gab es in der BRD 190 kommunale Abstimmungen, sechzehn Mal mehr als zehn Jahre davor). Einer Übersicht über die teilweise sehr unterschiedlichen Verfahrensregeln für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Kommunen (diese sind mittlerweile in allen deutschen Bundesländern verankert) folgen Beiträge über Bayern, wo 1995 in einer äußert erfolgreichen Kampagne ein fortschrittliches Bürgerentscheidsverfahren durchgesetzt wurde. Daß effizientere Verwaltungsabläufe nicht per se zu mehr Bürgerbeteiligung führen müssen, macht ein Beitrag über ”new Public Management" deutlich.
Notwendig sind daher auch informelle Verfahren der Bürgeraktivierung und Ideenfindung "von unten". Daß hierfür Zukunftswerkstätten ein sehr geeigneter Weg sein können, zeigt ein Projekt der beinah flächendeckend umgesetzten Frauenbeteiligung in der Stadt Heidelberg, weiches zur dauerhaften Entwicklung entsprechender Netzwerke geführt hat, ebenso wie eine großangelegte Bürgerinnenbefragung in der Stadt Greven mit Unterstützung der lokalen Medien. Wie breit die Palette zum Teil schon bewährter und neuer impulsgebender Aktivierungs- und Beteiligungsformen für Kinder und Jugendliche geworden ist, macht ein weiterer Beitrag anschaulich. Das Beteiligungsinstrument Planungszelle. das auf per Zufall ausgewählte Bürgerinnen als Laiengutachter zählt, wird am Beispiel einer ”Bürgerexpertise" zum öffentlichen Nahverkehr in Hannover vorgestellt.
Bei der in den USA entwickelten ”Charette-Methode" wiederum helfen Expertlnnen den Bürgerinnen in einem mehrtägigen Workshop, ihre Ideen zu visualisieren und fachlich einzuordnen. Wie dies in der Praxis aussieht, wird am Beispiel eines Projektes in Stockholm gezeigt. Experten und Laien verbindet auch das Konzept der ”Anwaltsplanung", weiches im Zuge der EXPO 2000 wiederum in Hannover durchgeführt wurde. Möglichkeiten und Barrieren der Bewohnerselbsthilfe und Stadterneuerung werden am Beispiel der Stiftung ”Meversche Häuser" in Leipzig, am Wohn- und Projektezentrum "alte Feuerwache" in Lübeck sowie an der Konversion einer ehemaligen US-Kaserne in ein alternatives Wohnprojekt in Karlsruhe demonstriert. Wie Verkehrsplanung in Form "Runder Tische" angegangen werden kann, zeigt JBZ-Kollege Walter Spielmann schließlich am ”Verkehrsforum Salzburg", welches er gemeinsam mit dem Nürnberger Stadtplaner Reinhard Sellnow im Jahr 1996 umsetzen konnte.
H. H.
Bürgerbeteiligung und Demokratie vor Ort. Hrsg. v. Theo Bühler. Bonn: Stiftung Mitarbeit, 1997. 192 S., (Beiträge zur Demokratieentwicklung von unten; 10) DM / sFr 14,- / öS 108,-