Olivette Otele

African Europeans

Ausgabe: 2021 | 2
African Europeans

„The aims of this volume are to understand connections across time and space, to debunk persistent myths, and to revive and celebrate the live of African Europeans.“ (S. 8) Und vor allem, so Olivette Otele, soll die lange afrikanische, europäische wie globale Tradition von Kollaboration, Migration, Resilienz und Kreativität gewürdigt werden, die über Jahrhunderte unerzählt blieb. Die Geschichtsprofessorin der University of Bristol durchschreitet gut 2 000 Jahre, nimmt uns mit zu außergewöhnlichen und alltäglichen Einzelschicksalen, verwebt diese gekonnt mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen und zeigt, wie sich die Rezeption bestimmter Biografien über den Tod hinaus veränderte. Otele veranschaulicht Identitätsmechanismen im Wandel der Zeit, kontextualisiert nicht zuletzt die Konstruktion hierarchischer und rassistischer Strukturen, verbindet sie mit Beispielen des Widerstands und lässt dabei stets Komplexität zu. Es ist eine neue, überfällige Erzählung, die dem kulturellen Bewusstsein Europas nottut, eben ein Geschichtsbuch, das African Europeans nicht exkludiert, das entweder Augen öffnet oder vollständiger sehen lässt.

Exkurs: Buchcover

Ein kurzer Exkurs zum ersten Blick auf das Buch, Anhaltspunkte zum Cover, das sich, ohne die Quellenangabe in Händen zu halten nur schwer recherchieren lässt. Trotz des begrenzten Platzes soll es Erwähnung finden, weil eben wie Biografien auch künstlerische Darstellungen von African Europeans häufig unzureichend repräsentiert und rezipiert werden: Die US-amerikanische Publikation, erschienen bei Basic Books, ziert ein Gemälde aus dem späten 18. Jahrhundert, das im Besitz des Saint Louis Art Museum ist, „Portrait of a Young Woman“. Unklar bleibt, wem dieses Bild zuzurechnen ist, von der jungen Frau wird vermutet, dass sie sich, aus der Karibik stammend, in den Niederlanden aufhielt. Das Verlagshaus aus Großbritannien, Hurst Publishers, entschied sich in seiner Ausgabe – Sie sehen sie auf dieser Seite abgebildet – für „The Head of an African“, erstellt wurde die Studie etwa um 1830. Wie das Seattle Art Museum dazu schreibt, fehlen Informationen zum Model, wohl weiß man aber, dass der Künstler Paul-Jean Flandrin in einem zeithistorischen Setting Frankreichs aktiv war, in welchem unter anderem senegalesische und algerische Gebiete als Kolonien deklariert wurden.

Aus der Geschichte lernen

Zurück zum Inhalt: Mit Olivette Otele besuchen wir unterschiedlichste, vielschichtige Lebenswelten und Begebenheiten, alle haben sie irgendwie das soziokulturelle Miteinander und Selbstverständnis in Europa beeinflusst oder beeinflussen es noch. Es ist eine große Geschichte in vielen kleinen, ohne dass letztere ihre Individualität verlieren: „What to make of all these histories colliding, and contributing to anxiety amongst some contemporary groups while they are deeply valued by others? These stories should be taught, widely analysed, and valued. They bring us back to our human nature, while also serving as reminders that ‚humanity‘ itself is a shifting concept.“ (S. 219) Es liegt an uns, so die Autorin, ob wir als Gesellschaft aus diesen Erfahrungen lernen, oder ob wir sie ignorieren und destruktive Formen von Gewalt und Unterwerfung reproduzieren. (ebd.) Und abschließend: „The path to equality needs to be facilitated by access to political power and meaningful representation in all disciplines, industries and institutions. It is a path that we must pave together.“ (S. 224)