Ökologiebewegung: Perspektiven radikaler Umweltschutzarbeit

Online Special

Wir erinnern uns: Konsensorientierung, ideologische Verwässerung, die saturierte Gemütlichkeit der Machtteilhabe – es war ein Bild der Desillussion, das Jörg Bergstedt im ersten Teil von „Agenda, Expo, Sponsoring“ (siehe PZ 4/98) von der Ökologiebewegung zeichnete.

Dieser Befund wird im zweiten Band noch untermauert: Ins Visier geraten zunächst die Organisationsstrukturen deutscher Umweltverbände: Zentralismus und Bürokratisierung, die Ausbildung innerverbandlicher Hierarchien schließlich – dies alles wird aus der Perspektive basisorientierter Politikmodelle kritisiert. Auch die für das sozial engagierte Spektrum  klassische Problematik der Spannung zwischen Ehrenamtlichkeit und Hauptamtlichkeit wird thematisiert. Die Organisationsanalyse der Autoren orientiert sich offenkundig am Postulat herrschaftsfreier Gruppendynamiken.

Insgesamt fördert die Struktur des Bandes die Übersichtlichkeit nicht sonderlich: Fließtext, Zitatencollagen, Dokumentationsteile und mehr oder minder weiterführende Statements (u. a. kritische Texte zu Band 1) werden – in nicht immer logischer Untergliederung - aneinandergefügt. Hier wäre eine komprimierte Analyse hilfreicher gewesen als der Versuch, ein offenes Diskussionsforum in Buchform zu schaffen.

Die Anti-Establishment-Orientierung der drei Autoren wird im Begriff des emanzipatorischen Umweltschutzes zusammengefaßt: direkte Demokratie – auch innerhalb der Verbände -, ein Mitbestimmungsbegriff, der auch auf gleichem Zugang zu relevanten Informationen beruht, ein Ökologiebegriff schließlich, der Umweltschutz als Teil des Kampfes gegen ausbeuterische, repressive Strukturen interpretiert, sind dessen Eckpfeiler.

Die detaillierte inhaltliche Ausgestaltung eines emanzipatorischen Umweltschutzes und dessen Überführung in politische Strategie mag bisweilen etwas eindimensional erscheinen: die grundsätzlich negative Konnotation „internationaler Wirtschaftsbeziehungen“ etwa, die einer - offenkundig auf subsistenzwirtschaftlicher Basis beruhenden - „Ökonomie von unten“ weichen sollen, erhöht nicht gerade die Praxisrelevanz der Publikation; die Diskussionen radikalökologisch ausgerichteter Lebensprojekte und Kommunen umweht hingegen der zarte Hauch der Alternativgeschichte.

Etwas unschlüssig erscheint darüber hinaus die Kritik an Professionalisierungstendenzen von Umweltverbänden bei gleichzeitiger Forderung nach klarer formulierten Strategien und deutlicherer Zielorientierung.

Doch bei aller Kritik: Wenn in der Umweltpolitik vielenorts die Kompromisse die Grundsätze zu dominieren scheinen, der Erhalt politischer Macht Eigenwert zu erhalten droht, dann mögen Streitschriften wie diese auch als konstruktives Korrektiv gelesen werden. G. S.

Bergstedt, Jörn; Hartje, Jörn; Schmidt, Thomas: Agenda, Expo, Sponsoring. Perspektiven radikaler, emanzipatorischer Umweltschutzarbeit. Bd. 2: Frankfurt/M.: IKO-Verl., 1999. 276 S., DM 39,80 / sFr 37,- / öS 291,-