Kurt Luger

Alpenreisen

Ausgabe: 2018 | 4
Alpenreisen

Der moderne Mensch hat eine stetig wachsende Sehnsucht nach Urtümlichkeit, vor allem aber nach unberührter Natur; Ruhe und Einzigartigkeit inklusive. Doch „je mehr wir durch technische Mittel die Natur verändern oder gar zerstören, so hat es den Anschein, desto verzweifelter klammern wir uns an das Bild der unberührten bzw. intakten Natur, das seit der Romantik die Sehnsucht nach dem Alpinen antreibt.“ (S. 33) Der höchste und längste Gebirgszug Europas ist eine touristische „Sehnsuchtsdestination“ (S. 11), zunehmend beeinflusst von der Zerstörung ökologischer Grundlagen durch Mobilität, urbanem und wirtschaftlichem Wachstum.

Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Alpenraumes

Die UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 rückte den Begriff „Nachhaltigkeit“ in Hinblick auf Bewahrung und Schonung von Umwelt und Kultur verstärkt in unser Bewusstsein. 2015 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Jahr 2017 zum „International Year of Sustainable Tourism for Development“. Dies nahmen die beiden Salzburger Kommunikationswissenschaftler Kurt Luger, Inhaber eines UNESCO-Lehrstuhls „Kulturelles Erbe und Tourismus“, und Franz Rest zum Anlass, einen umfangreichen Band herauszugeben. Er bietet 35 interdisziplinäre Beiträge aus Theorie und Praxis zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Alpenraumes, stets mit kritischem Blick auf die Vereinbarkeit der Interessen auf den Ebenen der Wirtschaft, der Kultur und der Umwelt. Eckpunkte eines nachhaltigen Tourismus wären, so die Herausgeber, eine langfristig ausgelegte und somit ressourcenschonende Planung, kulturelle Verträglichkeit mit „Respekt gegenüber den lokalen Konventionen und Riten“ (S. 33), soziale Ausgewogenheit durch regionale Partizipation, ökologische Tragfähigkeit durch verantwortungsbewusstes Handeln, ein hoher Grad an regionalwirtschaftlicher Sinnhaftigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen für die regionale Bevölkerung.

Berghöhen und deren Überwindung

Teil eins des Bandes widmet sich den Berghöhen und deren Überwindung, somit auch den BergsteigerInnen. Die Geschichte des alpinen Bergsteigens ist nicht nur eine männliche. Dies zeigt ein Beitrag, der sich den ersten Alpinistinnen widmet, für die es damals eine größere Herausforderung gewesen sein muss, das Haus zu verlassen und – kaum weniger kraftvoll als ihre männlichen Kollegen – die Gipfel zu erklimmen. Die Erreichbarkeit der Berge und die bequeme Überwindung der Höhen sind wesentliche Faktoren im Tourismus. Bergsteigerischer Hochalpinismus ist wirtschaftlich betrachtet nicht massentauglich und somit nicht rentabel. Die Seilbahnwirtschaft erfreut sich im Gegensatz dazu einer bedeutenden volkswirtschaftlichen Position, bescherte sie doch den Alpenländern den halbschuhbekleideten Massentourismus. Die alpine Massenbeförderung boomt und investiert trotz stagnierender Skifahrerzahlen weiterhin. Robuste wirtschaftliche Zuwächse gibt es allerdings nur noch in hochalpinen Skigebieten. Innovative und gleichzeitig nachhaltige Konzepte sich „vom Schnee unabhängiger zu machen, beschäftigen die gesamte Branche seit Jahren ohne große Ergebnisse“ (S. 28). Zudem erwartet man einen Temperaturanstieg, bedingt durch den Klimawandel und damit einhergehend eine Zunahme der touristischen Hitzeflüchtlinge in höher gelegene Gebiete. Gerade deshalb bedarf es nachhaltiger Konzepte, um diesen Szenarien langfristig und nachhaltig zu begegnen.

Räumliche Entwicklung der Alpen und wirtschaftliche Perspektive

Der zweite Teil widmet sich dem Thema „Räumliche Entwicklung – Orte guten Lebens bewahren und schaffen“. Fundiert und praxisnah werden folgende Fragen beantwortet: Welche planerischen Strategien und Konzepte sind geeignet und notwendig um dem nötigen Lebensraum für Mensch, Fauna und Flora gerecht zu werden? Von welchen Modellen können wir lernen, wie kann die Bevölkerung mit eingebunden werden und was sind die Perspektiven?

Zur kulturellen und damit eng verbunden wirtschaftlichen Perspektive, mit dem sich Teil drei „Transformation und Inwertsetzungen“ beschäftigt: Alpentourismus ist ein wesentlicher Wirtschaftsmotor. Er hat Wohlstand in die Regionen gebracht, dadurch hat sich das Leben in den Alpen deutlich verändert; nicht nur das bäuerliche, auf das im ersten Beitrag anhand eines persönlichen Berichts eines Jung- und Altbauern Bezug genommen wird. Dass der wachsende Tourismus übrigens auch die Entstehung und Entwicklung von Nationalparks im 19. Jahrhundert durchaus positiv beeinflusst hat, was die Salzburger Festspiele an wirtschaftlicher und kultureller Wertschöpfung leisten, und warum das Land Salzburg eine besonders gesundheitsfreundliche Region ist, wird in diesem Abschnitt ebenfalls thematisiert.

Alpen, Tourismus und Werbung

„Emotionale/imaginäre Geographie – Raumwahrnehmungen“ schildert als vierter Teil die Entwicklung der Tourismuswerbung vom 19. und frühen 20. Jahrhundert bis heute und thematisiert u.a. das crossmediale Tourismusmarketing anhand der Darstellung der Marken „Almsommer“ und „Bauernherbst“ und informiert über die Etablierung einschlägiger Produkte wie „alpines Weitwandern“. Ebenso erfahren wir, wie MusikerInnen wie z.B. Hubert von Goisern als „Botschafter der Alpen“ aktiv sind und welche Rolle Berge in der Kunst spielen.

Kurt Luger und Franz Rest zeigen mit diesem Band eine Vielfalt an Perspektiven und Lösungsansätzen auf. Sie zielen darauf ab, Nachhaltigkeit im Tourismus mit all seinen Auswirkungen auf Leben und Umwelt in der Region zu gewährleisten. Fazit: Es bedarf vielschichtiger, interdisziplinärer Anstrengungen und innovativer Konzepte, um unseren Alpenraum zu schützen und ein gutes Leben zu sichern. Ein sehr empfehlenswerter Band mit Beiträgen u.a. von Kurt Diemberger, Werner Bätzing und Astrid Rössler.