Wir haben genügend Fakten über den menschengemachten Klimawandel. Immer mehr Klimabücher wählen daher einen erzählerischen Zugang. Sie möchten mit Geschichten zeigen, was die Klimakrise bedeutet und was sie anrichtet. Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Österreichischen Klimavolksbegehrens, wählt in dem mit Co-Autor Florian Schlederer verfassten Buch Ändert sich nichts, ändert sich alles einen Mittelweg. Genau genommen weist die Publikation drei Erzählstränge auf: aktuelle Fakten zur Klimakrise werden verbunden mit Berichten aus dem Klimaengagement der beiden; daneben werden persönliche Reflexionen eingestreut. Rogenhofer lässt uns etwa teilhaben an ihrer Sorge um die erkrankte Mutter sowie an ihrem Wunsch, selbst einmal Kinder zu haben. Und so wie die Geschichte mit der Mutter gut ausgeht, wie wir im Laufe des Buches erfahren, hofft die Klimaaktivistin auch für die Klimakrise auf ein gutes Ende. Darauf, „dass alles wieder gut wird“ (S. 7) und ihre eigenen Kinder eine gute Zukunft haben werden. Damit begründet Rogenhofer auch ihre Entscheidung, nicht die geplante wissenschaftliche Karriere als Biologin eingeschlagen zu haben, sondern jene als Klimaaktivistin. Wie für Luise Neubauer, Mitbegründerin von Fridays for Future Deutschland, spielte auch für Rogenhofer die Begegnung mit Greta Thunberg beim Klimagipfel in Katowice eine wichtige Rolle. Und sie betont die Bedeutung der Klimaforschung und deren Warnungen: „Erst als wir verstanden, dass es eine rote Linie gibt, eine Deadline für alle Aktionen gegen die Klimakrise, wurden wir aktiv. Mussten wir aktiv werden.“ (S. 35)
Kritik an zu zögerlicher Politik
Die Kritik an der viel zu zögerlichen Politik wird gleich im Eingangskapitel mit dem Bild eines Bootes beschrieben, das auf einen Wasserfall zufährt. Während eine Wissenschaftlerin an Bord – eine Hommage an die österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb – vor dem Zusteuern auf den Abgrund warnt, beteuern die politischen Führungspersonen, alles gut im Griff zu haben. Rogenhofer ist bewusst, dass die Klimakrise komplexer Natur ist. „Plötzlich diskutierte ich als Biologin über Wirtschaft, Politik und soziale Fragen. Beim Naturschutz prallt alles aufeinander: Geld und Armut, Gerechtigkeit und Macht, Grundbedürfnisse und Fortschritt.“ (S. 11) Im Buch werden daher immer wieder auch soziale Bezüge hergestellt. Neben den zahlreichen Vorschlägen zu den einzelnen Politikfeldern zählen Rogenhofer und Schlederer dabei die Kosten des Nichthandels auf. Zwei Milliarden Euro jährlich machen die Klimaschäden in Österreich bereits jetzt aus, so die zitierte Studie „Cost of Inaction“ (S. 219). Rechnet man die Importe von fossilen Energieträgern sowie die Subventionen in diese dazu, kommen die Autor:innen gar auf 15 Milliarden Euro an jährlichen Klimakosten – die drohenden Strafzahlungen bei Nichterreichen der EU-Ziele noch gar nicht eingerechnet (S. 220f.).
Fakten, Aktivismus und Persönliches
Das Buch besticht durch eine faktenbasierte Argumentation gepaart mit dem Engagement der Verfasser:innen und den persönlichen Ein-schüben, die dem Ganzen Authentizität und Glaubwürdigkeit verleihen. Dazu zählen auch Rogenhofers Erfahrungen als Sprecherin des Klimavolksbegehrens, das im Sommer 2020 mit über 380.000 Unterschriften dem österreichischen Parlament übergeben wurde. Die zentralen Forderungen waren eine wirksame CO2-Steuer, ein Klimaschutzgesetz, das den Reduktionspfad mit Zwischenzielen verbindlich macht, sowie ein Klimarechnungshof, der die vereinbarten Maßnahmen überwacht. Rogenhofer betont, dass beides nötig sei – Demos und die Nutzung direktdemokratischer Instrumente: „Um ein Haus zu bauen, braucht es viele Werkzeuge. Klimastreiks sind die Hämmer, die eine Botschaft auf die Titelseiten nagelten. Das Volksbegehren war der ebenso wichtige Schraubenzieher.“ (S. 158) Mitten in die Kampagne platzte das Scheitern der konservativen Regierung wegen des sogenannten „Ibiza-Skandals“. Und – so auch die Einschätzung dieses Buches – die Klimademos sowie das Klimavolksbegehren haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Neuwahl eine Koalition mit den Grünen und einer engagierten grünen Klimaministerin brachte. Und ein Regierungsprogramm, nach dem Österreich 2040 klimaneutral sein soll. Wenn dem nun tatsächlich Taten folgen, hat das Klimavolksbegehren sein Ziel zumindest indirekt erreicht. Ein günstiges ÖV-Ticket konnte mittlerweile umgesetzt werden, die CO2-Steuer ist wohl nur in Ansätzen auf den Weg gebracht – statt der im Buch vorgeschlagenen 120 Euro pro Tonne CO2 sind als Einstieg nun nur 30 Euro geplant –, das Klimaschutzgesetz und der Klimarechnungshof lassen noch auf sich warten. So bleibt auch den Klimaaktivist:innen um Katharina Rogenhofer und Florian Schlederer noch viel zu tun.