Heinrich Breidenbach

Achtung! Wortkeulen

Online Special
Achtung! Wortkeulen

„Die meisten BewohnerInnen der westlichen Industriestaaten zählen zu den privilegiertesten Generationen, die jemals auf diesem Planeten leben durften. Jetzt ginge es darum, diese Privilegien global zu teilen und nachhaltig für kommende Generationen abzusichern“ (S. 7), so der Publizist Heinrich Breidenbach einleitend zu seiner Sammlung von „Wortkeulen“, mit denen dieser Wandel und das Teilen vereitelt werden. Es geht in seinem Buch um Begriffe und Redewendungen in politischen und medialen Debatten, mit denen eine faire Verteilung des Wohlstands verhindert, notwendige ökologische Veränderungen verzögert und populistischer Stimmenfang auf dem Rücken der Schwächsten betrieben wird. „Wer sich für mehr Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich einsetzt, wer überbordenden Luxuskonsum oder ressourcenverschwendende Lebensstile kritisiert, bekommt sofort die Punze des Neiders“ (S. 9f), so Breidenbach über die Rolle des „Neids“ in öffentlichen Debatten. Ähnliches beabsichtigen „Wortkeulen“ wie „Keine neuen Steuern“, „Soll alles verboten werden?“ oder „Mit seinem Eigentum kann jeder tun was er will“. Vorwürfe wie „Gleichmacherei“, „Spaßbremse“ oder „Gutmensch“ wiederum sollen Menschen, die sich für eine gerechtere Gesellschaft oder den Schutz unserer Lebensgrundlagen einsetzen, desavouieren. Breidenbach spürt diesen Sprachtricks auf den Zahn – in den Kommunikationswissenschaften spricht man hier von „Frames“ – und argumentiert sachlich wie pointiert dagegen. Er erklärt, was Steuern sind und was sie bewirken sollen. Er zählt Verbote aus unserem Alltag auf, mit denen wir seit langen gut leben, und macht deutlich, dass die Umweltkrisen ebensolche brauchen werden.

„Wortkeulen“ wirken

Aufschlussreich an den Ausführungen ist aber auch, warum diese „Wortkeulen“ wirken. Dies gilt für wirtschaftspolitische Argumentationsweisen, die dem neoliberalen Diskurs entstammen - und noch mehr für die klassisch rechtspopulistischen Ausgrenzungsdebatten, etwa wenn die Rede ist von den „eigenen Leuten“, von „Lügenpresse“, „Heimat“, „Vaterland“, „Tradition“ und „Brauchtum“. Uns bleibt dennoch nichts anderes übrig, als mit Argumenten dagegenzuhalten, also aufzuklären, so könnte man das Anliegen des Publizisten, der selbst einmal in der Politikberatung tätig war, zusammenfassen. Breidenbach greift dabei auf historische Beispiele zurück („Wer kein Mitleid mit jüdischen Kindern empfindet, empfindet auch keines mit eigenen jungen Männern, die gerade in Stalingrad krepieren.“ S. 22). Und er bringt viele aktuelle Bezüge, die sich auf den politischen Diskurs der Entscheidungträger:innen ebenso beziehen wie auf die Saturiertheit vieler Bürger:innen. Etwa wenn er beim Rekurs auf die „Mitte“, die nur scheinbar das rechte Maß anstrebt, meint: „Die Mitte toleriert, dass das Notwendige nicht getan wird. Sie verlangt es von den politischen und ökonomischen Eliten nicht. Sie macht mit. Sie unterstützt damit eine in Wahrheit sehr radikale Politik mit radikalen Folgen, die aber als gemäßigt auftritt.“ (S. 27) Somit geht es, dies ein weiteres Anliegen des Autors, auch darum, Argumentationsweisen gegen den Strich zu bürsten, umzudrehen, in ein neues Licht zu stellen. Der „Kommunismuskeule“, die jenen entgegengeschleudert wird, die sich für Umverteilung oder eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums einsetzen, setzt Breidenbach den „Klassenkampf von oben“ (S. 47) entgegen, der seit der neoliberalen Wende die Politik bestimme. Das Schlagwort „Keine neuen Steuern“ sei in diesem Sinne ein „Ohrwurm zum Schutz der Superreichen und Umweltzerstörer“ (S. 63), die „erdrückend hohe Steuer- und Abgabenlast“ hingegen in Wirklichkeit ein Wert, der unsere Solidarsysteme und damit unsere Lebensqualität sichere.

Eine differenzierte Argumentation

Das Buch besticht durch eine differenzierte Argumentation und das Gespür für die Macht von Sprache – am Stammtisch ebenso wie im politischen und medialen Diskurs, wobei letzteres wohl politisch mehr Gewicht hat. Den Begriff des „Schlechtmenschen“ im Untertitel des Bandes erklärt Breidenbach am Ende mit Augenzwinkern. Er stehe für die Überzeugung, „dass wir besser werden müssen“, und zugleich für einen „plakativen Gegensatz zum bösen Schimpfwort vom Gutmenschen“ (S. 116). Es ist aber durchaus keine Schande, ein guter Mensch sein zu wollen – das machen die Ausführungen des Buches mehr als deutlich!