Nick Bostrom

Die Zukunft der Menschheit

Ausgabe: 2020 | 1
Die Zukunft der Menschheit

Nick Bostrom, aus Schweden stammender Professor für Philosophie am St. Cross College der Universität von Oxford, ist ein bedeutender Vordenker des Transhumanismus. In einem Band des Suhrkamp-Verlages sind sechs Aufsätze zusammengestellt worden, die die wichtigsten Thesen des Autors wiedergeben. Die Aufsätze sind in den Jahren 2003 bis 2013 erstmals auf Englisch erschienen. Die Auswahl der Texte sorgt dafür, dass die wichtigsten Thesen Bostroms kompakt nachzulesen sind.

Zwei Argumente Bostroms sollte man kennen, denn auf diese stößt man in vielen Diskussionen über die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Das erste Argument betrifft die Debatte, ob wir Menschen uns über das Menschsein hinaus entwickeln werden. Bostrom bejaht dies im Aufsatz „Die Zukunft der Menschheit“.

Die technologische Entwicklung habe der Menschheitsgeschichte eine Richtung gegeben. Alte wie neu hinzugewonnene Informationen von praktischem Nutzen seien in der Regel von einer Generation an die nächste weitergegeben worden, so dass jede neue Generation von einem technologisch weiter fortgeschrittenen Punkt aus starten konnte. Auch wenn es Ausnahmen gebe, sei das Muster klar zu erkennen. Auch das Aufkommen des Menschen sei mit einem Zeitpunkt der technologischen Entwicklung zu bestimmen.

Bostrom sieht nun drei Möglichkeiten. Die menschliche Entwicklung könnte durch eine Katastrophe beendet werden, und die Lebensformen auf der Welt fallen hinter den Punkt des Auftretens der Menschen zurück. Zweitens könnte die Menschheit durch zyklisch auftretende, aber begrenzte Kollapse erhalten bleiben, ohne weiter über ihre qualitativen Merkmale hinaus zu wachsen. Aber ist das realistisch? „Das Szenario des zyklischen Kollapses erfordert also einen sorgfältig kalibrierten homöostatischen Mechanismus, der das Zivilisationsniveau innerhalb eines relativ engen Intervalls hält.“ (S. 31) Die dritte Möglichkeit ist für Bostrom, dass wir Menschen uns mit weiterer technologischer Entwicklung irgendwann über das Menschsein hinaus entwickeln.

Bostrom nennt dies das Erreichen des posthumanen Bereichs. Posthumanität ist erreicht, wenn zumindest eines der folgenden Merkmale vorliegt: „Eine Bevölkerung von mehr als einer Billion Personen. Eine Lebenserwartung von mehr als 500 Jahren. Eine Bevölkerung, die zum Großteil über kognitive Fähigkeiten verfügt, die mehr als zwei Standardabweichungen über dem aktuellen menschlichen Maximum liegen. Die Mehrheit der Bevölkerung hat die meiste Zeit nahezu vollständige Kontrolle über ihre Sinneswahrnehmungen. Psychische menschliche Leiden treten kaum noch auf. Jede Veränderung von vergleichbarem Ausmaß oder Tiefgang.“ (S. 38) „Die kumulierte Wahrscheinlichkeit einer posthumanen Zivilisation steigt, genau wie diejenige des Untergangs, mit der Zeit monoton.“ (S. 47)

Das zweite wichtige Argument von Bostrom ist in dem Text „Leben Sie in einer Computersimulation?“ nachzulesen. Das Ergebnis vorweg: Ja, kann schon sein. Die Logik dahinter bei Bostrom: Nehmen wir an, das Erreichen einer posthumanen Lebensform ist möglich. Dafür gebe es gute Gründe. Einer solchen Lebensformen stehen Maschinen zur Verfügung, deren Rechenleistungen dramatisch höher sind als diejenigen, die uns heute zur Verfügung stehen. Die Rechenleistung, die man zur Emulation eines menschlichen Geistes benötigt, könne heute schon bestimmt werden und die Zahl ist dramatisch hoch – aber grundsätzlich erreichbar. Man könnte also Teile der, oder gleich die ganze geistige Menschheitsgeschichte simulieren. „Schlussfolgerung: Posthumane Zivilisationen könnten mit einem winzigen Bruchteil der ihnen zu Gebote stehenden Rechenleistung enorm viele Ahnensimulationen durchführen.“ (S. 198) Auf der Grundlage der Überlegungen zu diesem „Simulationsargument“ müsse eine der folgenden drei Aussagen zutreffen: „(1) Der Anteil der Zivilisationen auf menschlichen Niveau, die ein posthumanes Stadium erreichen, liegt fast bei null; (2) Der Anteil der posthumanen Zivilisationen, die an der Durchführung von Ahnensimulationen interessiert sind, liegt fast bei null; (3) Der Anteil der Individuen mit Erfahrungen menschlicher Art, die in einer Simulation leben, liegt bei fast null. Wenn (1) zutrifft, wird die Menschheit so gut wie sicher untergehen, bevor sie das posthumane Stadium erreicht. Wenn (2) zutrifft, dann muss es zu einer starken Konvergenz der Entwicklungsverläufe fortgeschrittener Zivilisationen kommen, so dass in diesen praktisch keine relativ wohlhabenden Individuen leben, die Ahnensimulationen durchführen wollen und können. Wenn (3) zutrifft, dann leben wir so gut wie sicher in einer Simulation. Im gegenwärtigen Nebel unserer gegenwärtigen Unwissenheit scheint es vernünftig (1), (2) und (3) für ungefähr gleich wahrscheinlich zu halten.“ (S. 207)