Mit den offensichtlichen Schädigungen der Umwelt rückt neben die Frage um den Vorteil von mehr oder weniger Privatinitiative im Wirtschaftsprozeß zunehmend auch die Berücksichtigung wirtschaftlicher Folgekosten in den Blickpunkt öffentlichen Interesses. Damit ist ein Thema angesprochen, das in der kanonisierten Volkswirtschaftslehre allenfalls als Sonderfall behandelt wird und über erste Annäherungen an die Problematik kaum hinausreicht. Wie F. Beckenbach in seiner einleitenden Analyse feststellt, ist selbst die (vorerst umfassendste) Erörterung durch W. Kapp mit einer Reihe von Defiziten behaftet. Probleme ergeben sich nicht nur aus der Komplexität von Wirkungszusammenhängen, die sich einer kausalen Betrachtung entziehen. Wie A. Endres und K. Holm betonen, verweigern sich vor allem auch ideelle Werte der monetären Kalkulation. Während an zwei Beispielen - Luftverschmutzung und Verkehr - die Berechnung wirtschaftlicher Folgekosten exemplarisch aufgezeigt werden, stellt H. Reiners die Möglichkeit der Erfassung gesundheitlicher Folgekosten (anhand der Quantifizierung des Krebsrisikos) grundsätzlich in Frage.
Die Position der Wirtschaftsforschungsinstitute HWWA und RWI über ökologische Aspekte der Strukturberichterstattung wird in zwei Beiträgen dokumentiert. Dabei überraschen die unterschiedlichen Empfehlungen über das Ausmaß staatlicher Einflußnahme in den Wirtschaftsprozeß weniger als der Nachweis K. Löbbes, daß der industrielle Innovationsprozeß "keine wesentliche Rolle für den Energieverbrauch gespielt hat" und innerhalb der letzten 25 Jahre ein "konstanter Rückgang des Technologieeffektes" zu beobachten ist. Die Sichtweise der Wirtschaftsinstitute kritisiert R. Pfriem und setzt dagegen auf eine sozialökologische Erweiterung von Informationsvermittlung und Rechnungssystemen im Dienste des industriellen Strukturwandels. Neben einem Vorschlag zur Erfassung "defensiver Aufgaben" und zum verstärkten Einsatz der Produktlinienanalyse enthält der Band schließlich eine kritische Darstellung der "Großen Anfrage" der GRÜNEN und der Antworten der Bundesregierung aus dem Jahre 1986.
Das - fraglose - Festhalten am Ordnungssystem der sozialen Marktwirtschaft, welches dazu ermutigt, "sich auf Nutzenmaximierung hin zu orientieren" und "legitimerweise Folgen (des) Handelns und deren Kosten zu externalisieren", kann nach Ansicht M. Schreyers auch nicht mit dem Vorzug gegenüber zentralistischen Wirtschaftssystemen realsozialistischer Prägung begründet werden. Solange die Bundesregierung freilich die Auffassung vertritt, v. a. daß "die Ausweitung ... des Güter- und Dienstleistungsangebots es ermöglicht, die Kosten des Umweltschutzes zu tragen", sind die - ohnehin mühsamen - Schritte hin zu einem ökologischen Umbau politisch blockiert.
Nicht nur konservative" Wende"-Aktivisten können sich dabei beruhigt auf gesetzliche Verpflichtung berufen, die Wirtschaftspolitik auf stetiges Wachstum auszurichten. Zu welchem Preis und auf wessen Kosten dies geschieht, steht freilich in keinem Wirtschaftsbericht und wird auch in diesem Band nur exemplarisch vermittelt. Die Darstellung macht aber klar, daß Zahlen in diesem Zusammenhang allenfalls Richtwertfunktion besitzen. Wer sich näher dafür interessiert, in welcher Größenordnung die Profite der Wirtschaft zu Lasten der Umwelt und des Steuerzahlers liegen, der sei verwiesen auf: Lutz Wicke, Die ökologischen Milliarden. München: Kösel, 1986.
Gesellschaftliche Folgekosten. Was kostet unser Wirtschaftssystem. Frank Beckenbach, Michaele Schreyer (Hg.). Frankfurt/Main: Campus, 1988. 197 S. DM 29,50/ sfr 25,-/ öS 230, 10