Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs, Frauen

Ausgabe: 1995 | 2

Die Gedanken der Biologin und Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway, die als Professorin an der University of California, Santa Cruz, arbeitet, dem deutschsprachigen Publikum näherzubringen, war der Impuls zur Herausgabe der vorliegenden Texte. Aus (unorthodoxer) feministischer Perspektive und in Anlehnung an die Foucaultsche Diskursanalyse illustrieren die Beiträge die These von der notwendigen "Neuerfindung der Natur" und untersuchen deren Implikationen. Bereits die Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts haben die klassischen Grenzen zwischen Mensch und Tier verwischt und keine klaren Unterscheidungskriterien mehr übriggelassen.

Die Gen- und Informationstechnologien der Gegenwart lassen aber auch die traditionelle Abgrenzung des Menschen zur Maschine als durchlässig erscheinen. Die Sphären des Organischen und des Technischen treffen sich bei Haraway im Mythos der Cyborgs, der Maschinenmenschen, die auf keine eindeutige Identität mehr festgelegt werden können. Doch weit davon entfernt, auf diese Entwicklung mit einer Reontologisierung der Natur und einer Dämonisierung der Technik zu reagieren, wird die moderne Hochtechnologie vielmehr als Möglichkeit akzeptiert, sich aus den traditionellen Dualismen zu befreien. Denn diese Dualismen waren immer auch Grundlage der Ausübung von Herrschaft, von Kultur über Natur, von Menschen über Tiere, von Männern über Frauen. Wie der Prozeß der Neuerfindung der Natur konkret aussehen könnte, demonstriert die Autorin am Beispiel von Primatologlnnen und deren Studien. Aus empirischen Beobachtungen, die vornehmlich die männlichen Primaten fokussierten, wurden lange Jahre Schlüsse hinsichtlich männlicher Dominanz und Führung gezogen, die erst durch veränderte Erkenntnisinteressen und die Beteiligung von Frauen am wissenschaftlichen Diskurs destabilisiert werden konnten.

Haraways durchwegs im postmodernen Jargon referierte Ausführungen müssen so auch als Plädoyer für die Beteiligung von Frauen am Prozeß, "wissenschaftliche Geschichten zu verfassen" und deren Regeln zu verändern interpretiert werden Denn herrschende Diskurse böten immer die Möglichkeit einer oppositionellen Unterwanderung und somit einer Umgestaltung von sozialer Praxis. Mit der Darstellung eines von zeitgenössischen politischen Kämpfen, von herrschenden Normen und Werten geformten wissenschaftlichen Diskurses können die Texte auch als Beitrag zur Demystifizierung von Wissenschaft gelesen werden.

G. S.

Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Hrsg. v. Carmen Hammer ... Frankfurt/M. (u.a.): Campus, 1995. 237 S., DM / sFr 39,- /öS 304,50