Josef P. Mautner

Regionale Menschenrechtspraxis

Ausgabe: 2019 | 3
Regionale Menschenrechtspraxis

Der von Josef P. Mautner herausgegebene Sammelband stellt die aktuelle Arbeit, Herausforderungen und Perspektiven der regionalen Menschenrechtspraxis in Österreich und Deutschland ins Zentrum. Mehr als 20 AutorInnen erklären rechtliche Hintergründe, erläutern detailliert den aktuellen Zustand der Menschenrechte vor allem in Österreich, und zeigen anhand von Praxisbeispielen, wie man Menschenrechtsarbeit erfolgreich umsetzt.

Mautner veranschaulicht gleich zu Beginn erst einmal die Schwerpunkte regionaler Menschenrechtspraxis: „Diese Menschenrechtspraxis ist lebens- und sozialraumorientiert und sie entsteht aus direkten Erfahrungen von unten: aus der direkten Betreuung von Flüchtlingen in einer Gemeinde, aus dem Konfrontiertsein mit obdachlosen Notreisenden, aus der interreligiösen Zusammenarbeit mit muslimischen Gemeinden im Stadtteil usf.“ (S. 15). Es geht also darum, menschenrechtliche Probleme vor Ort konstruktiv anzugehen. In Österreich und Deutschland betrifft das vor allem vier Bereiche: Rassismus, Flucht und Asyl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie Armut. Die Publikation wird eben diesen großen Themenfeldern gewidmet.

Themenbereiche Rassismus und Islam 

Der erste große Bereich regionaler Menschenrechtsarbeit ist der Rassismus, der sich häufig subtil im Alltag äußert und somit oft bagatellisiert wird. Mark Terkessidis erklärt, warum ein scheinbar freundliches Interesse an der Herkunft zeigt, dass man doch nicht dazugehört, dass man „woanders“ verortet wird und damit auch „anders“ ist. Vor allem MigrantInnen der zweiten und dritten Generation leiden darunter; auch, weil es in der „Mehrheitsgesellschaft“ kaum Problembewusstsein dafür gibt: „Ein Vertreter von rechtsextremen Ideologien ist zumeist leicht zu erkennen. Schwieriger wahrzunehmen sind Selbstverständlichkeiten, die völlig unabsichtlich zu unscheinbaren, aber immer wiederkehrenden Erlebnissen führen, die Menschen zu ‚Fremden‘ machen und dauerhaft einen Unterschied zwischen ‚uns‘ und ‚ihnen‘ etablieren“ (S. 26).

Als weiteres Problem wird der Umgang mit dem Islam beziehungsweise mit MuslimInnen diskutiert: Franz Gmainer-Pranzl und Haliemah Mocevic zeigen, dass islamische Glaubenspraxis in Österreich einer zunehmenden Kriminalisierung unterliegt. Dazu kommt eine immer stärker werdende Kulturalisierung von Problemen, die Menschen aus schwachen sozialen und ökonomischen Verhältnissen häufig haben – diese werden nun dem Islam zugeschrieben: „Personen und Gruppen auf eine ‚Kultur‘ oder ‚Religion‘ festzulegen, verhindert eine differenzierte Auseinandersetzung mit jenen Faktoren und Lebensbedingungen, die für die konkrete Situation eines Menschen tatsächlich ausschlaggebend sind“ (S. 44). Der Islam ist mittlerweile in der Politik ein „Kampfthema“ geworden; MuslimInnen müssen allerlei verallgemeinernde Zuschreibungen ertragen.

Themenbereiche Asyl und Armut

Ähnlich schwierig ist die Lage im Bereich Asyl: Ursula Liebig zeigt, wie sich in den letzten Jahren die rechtliche Situation von AsylwerberInnen in Österreich verschlechtert hat. Anstelle von Schutz für Verfolgte geht es nun um Abschreckung von Neuankömmlingen. Für Flüchtlinge ist es zudem schwer, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen – ohne professionelle Begleitung durch (meist ehrenamtliche) HelferInnen könnten viele ihre oft zu Unrecht negativen Bescheide nicht bekämpfen. Liebig zeigt, dass gerade in diesem Bereich regionale Menschenrechtsarbeit unverzichtbar ist.

Der letzte große Themenbereich ist die Armut. Diese betrifft in Österreich immer mehr Menschen, wird aber vorrangig nur an BettlerInnen aus Osteuropa dargestellt, die lokal gerne mit Bettelverboten drangsaliert werden. Heinz Schoibl betont: „Bettelverbote in Österreich sind menschenrechtswidrig“ (S. 89). Er verweist auf mehrere Entscheide des Verfassungsgerichtshofs, der etwa das totale Bettelverbot in Salzburg aufgehoben hat. Nichtsdestotrotz wird das Thema Betteln in Österreich vor allem medial skandalisiert.

Anschließend bietet der Band eine Zusammenstellung von Beispielen gelebter Menschenrechtsarbeit, etwa Anti-Rassismus-Arbeit, der Umgang mit Extremismus vor allem bei jungen Menschen, lokale Gruppen die engagierte Flüchtlingsarbeit leisten.

Zuletzt werden Perspektiven regionaler Menschenrechtspraxis erörtert: Um weiterhin sichtbar und relevant zu bleiben, brauche Menschenrechtsarbeit vor allem die Dokumentation von Rechtsverletzungen vor Ort. Zudem wichtig sei Menschenrechtsbildung auf allen Ebenen, vor allem in Schulen. Und es braucht konkrete Umsetzungsprojekte, die nicht nur von engagierten Individuen, sondern auch von Politik und Verwaltung betrieben wird – wie es etwa die Menschenrechtsstädte tun.