Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt

Ausgabe: 2008 | 4

 Der 1996 veröffentlichte Bericht „Zukunftsfähiges Deutschland“ zählt zu jenen Büchern, von denen man mit Gewissheit sagen kann, dass sie ihre Wirkung getan haben. Der vom Bund für Umwelt und Naturschutz gemeinsam mit Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst herausgegebene Folgeband zieht zunächst Bilanz, die zugegebener Maßen ernüchternd ausfällt. Mit Ausnahme der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien wurde bislang keines der damals angepeilten Ziele erreicht. Grundtenor der Studie: Die globalen ökologischen und sozialen Probleme würden zwar nicht mehr geleugnet, es fehle aber noch weitgehend das problemadäquate, konsistente Umsteuern. Der „kollektiven Verdrängung“ sei die „kollektive Schizophrenie“ gefolgt, so die pointierte Zustandsbeschreibung (s. Kasten). Der überwiegende Teil des umfangreichen Werkes ist jedoch Zukunftswegen gewidmet. So macht das Buch dennoch Mut. Den Befunden und Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts („Klimachaos, Peak Oil und die Krise der Biodiversität“, „Eine Welt mit Nachholbedarf“) folgen anschauliche „Leitbilder“ für die Zukunft. Sie lauten: „Gastrecht für alle“, „Ökologischer Wohlstand“, „Gesellschaft der Teilhabe“, „Die ganze Wirtschaft“. Der für Deutschland und Europa vorgeschlagene „Kurswechsel“ wird von fünf Säulen getragen: „Basis wechseln: Auf Solarwirtschaft umsteigen“, „Überflüssig machen: Von den Chancen der Ressourceneffizienz“, „Märkte gestalten: Der Primat der Politik“, „Kreisläufe schließen: Die Renaissance der Regionen“, „Arbeit fair teilen: Auf dem Weg zur Tätigkeitsgesellschaft“. Gerade dieser Abschnitt macht deutlich, wie vielfältig die Möglichkeiten nachhaltiger Umsteuerung sind. Sie reichen von der dezentralen Energie- Zukunft über die Wiederverwertung von Rohstoffen („Das Bauwerk als Bergwerk“) bis hin zu einer anderen Arbeitszeitpolitik („Kurze Vollzeit für alle“, „Bewegliche Arbeitszeitkultur“). Einmal mehr wird auch eine Ökologisierung des Steuersystems („Finanzpolitik für Kostenwahrheit“) gefordert. Dass Zukunftsfähigkeit überdies erfordert, weltweit enger zusammenzuarbeiten und verbindliche Regeln zu schaffen, macht der Abschnitt „Übereinkünfte global“ deutlich. Optimistisch stimmen schließlich die vielen praktischen Beispiele der Umsteuerung, die es bereits gibt. Sie werden in hervorgehobenen Kästen sowie im abschließenden Abschnitt „Engagement vor Ort“ beschrieben. Als ernüchternde Erkenntnis bleibt, dass die ökonomische Globalisierung, wie sie derzeit von statten geht, mehr Verlierer als Gewinner verzeichnet, dass die Gewinner das ökologische Hauptproblem darstellen und die Ressourcenverknappung die Ärmsten zu allererst trifft (s. Kasten „Transnationale Verbraucherklasse“, S. 22). So ist der Band, auch wenn er (im Titel) vor allem auf Deutschland Bezug nimmt, weit darüber hinaus aktuell und zu empfehlen. Er vereint die Expertisen eines der wohl renommiertesten Nachhaltigkeitsinstitute der Welt. Und einer der Hauptautoren, Wolfgang Sachs, gilt als international bekannter wie begehrter Vortragender u. a. des Club of Rome. H. H.

Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Redaktion: Wolfgang Sachs. Frankfurt/M.: Fischer-TB, 2008. 650 S., € 14,95 [D], € 15,10 [A] sFr 26,20 ISBN 978-3-596-17892-6