Bericht zur Lage der Welt - Worldwatch Institute Report 1999

Ausgabe: 1999 | 1

Bereits zum 16. Mal legt das Worldwatch Institute in Washington einen " Bericht zur Lage der Welt " vor - und übertrifft damit die in diese Reihe gesetzten hohen Erwartungen: Denn die „Millenniums-Ausgabe 1999“ vereint die Vorzüge der vorangegangenen Jahresbände: Untermauert von einer Fülle aktueller empirischer Daten und Fakten werden in insgesamt 10 Kapiteln zentrale Aspekte der weltweiten ökologischen Herausforderungen, aber auch Perspektiven in Richtung einer tragfähigen Entwicklung ebenso kompetent wie allgemein verständlich beschrieben. Darüber hinaus ziehen die Autoren eine kritische Bilanz des „Jahrhunderts des Wachstums“, in welchem die Bevölkerung weltweit um das Vierfache, das Volumen der Wirtschaft gar um das 17-fache (S. 4) zugenommen und zugleich eine Weltordnung hervorgebracht hat, die so gut wie niemand will (vgl. S. 170), zumal klar ist, daß das Modell der „westlichen ölzentrierten, mobilitätsorientierten Wegwerf-Ökonomie“ nicht fortgeschrieben werden kann. Würde etwa (wie heute in den USA) jeder zweite Erdenbürger ein Auto sein eigen nennen, so wären dies zu Mitte des nächsten Jahrhunderts rund 5 Mia. Fahrzeuge (als wären die derzeit 51 Mio. weltweit nicht schon Problem genug). Rund 10 Mia. Menschen würden 9 Mia. Tonnen Getreide benötigen - mehr als das Vierfache der derzeitigen Ernte weltweit.

Eckdaten einer „neue Wirtschaft für ein neues Jahrhundert“ entwickeln im einleitenden Kapitel Lester R. Brown und Christopher Flavin, und geben damit den Rahmen auch für die weiteren Beiträge des Bandes vor, in dem neun Bausteine für dieses Vorhaben vorgestellt werden: die Erneuerung des Energiesystems (regenerative Technologien, propagiert von privaten Anbieter könnten den Ausstoß an Kohlenstoff um bis zu 80 Prozent reduzieren und so den CO2-Gehalt der Erdatmosphäre auf sicherem Niveau stabilisieren) und die Entwicklung einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft zählen ebenso dazu wie die Neuorientierung der Forstwirtschaft (Brasilien könnte etwa die gleiche Menge an Holz mit einem Drittel des geschlägerten Volumens erwirtschaften, S. 74). Eingefordert wird aber auch der vorsorgende Umgang mit den vielfach schon unwiederbringlich geplünderten Ressourcen der Meere (die Verluste der Fischereiindustrie machen jährlich rund 54 Mia. Dollar aus und verlangen nach international akkordierten und sanktionierenden Abkommen). Dem Schutz der Artenvielfalt und der Herausforderung der Ernährung von bald 9 Mia. Menschen (erwartet zu Mitte des nächsten Jahrhunderts) sind weitere Ausführungen gewidmet. Lester R. Brown macht in diesem Zusammenhang auf den steigenden Bedarf an Getreide bei fortschreitender Reduktion der verfügbaren Anbauflächen sowie insbesondere auf die Verknappung der Wasserressourcen aufmerksam. Facetten einer Vision lebenswerter Städte skizziert M. O’Meara, wobei u. a. die zahlreichen Agenda-21-Initiativen, Best-Practice-Aktivitäten und rund 80.000 Kleingärtner in Berlin als Lichtblick in der Fülle urbaner Probleme angeführt werden.

Der auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts genährten Hoffnung vom Ende gewaltsamer Konfliktregelung nimmt sich schließlich der Abrüstungsexperte des Instituts, M. Renner, an. Wenngleich, so sein Resümee, die Wahrscheinlichkeit zwischenstaatlicher Kriege und die nukleare Bedrohung mit Ende des Kalten Krieges abgenommen habe, sei v. a. die Gefahr innerstaatlich ethnischer Auseinandersetzungen nicht gebannt und eine Herausforderung für die internationale Gemeinschaft. Nichts desto trotz, so Renner, sei auch der u. a. von Costa Rica und Haiti realisierte Verzicht auf militärische Verbände eine ernst zu nehmende Option für die Zukunft in einer potentiell friedfertigeren Welt.

Strukturen einer nachhaltigen Weltgesellschaft skizziert in seinem zusammenfassenden Beitrag schließlich David M. Roodman. Das in Ansätzen bereits erkennbare Zusammenwirken von Regierungen, weltweit tätigen Wirtschaftsunternehmen, NGOs und vor allem auch der „civil society“ sei - unter der Voraussetzung der Stärkung demokratischer Strukturen und des massiven Ausbaus der ethisch fundierten Wissensgesellschaft - Voraussetzung „für die Gestaltung einer Welt, die wir gerne unseren Kindern anvertrauen können“ (S. 188). Für weitere Informationen zur Arbeit des Worldwatch Institute s. auch die Website www.worldwatch.org. W. Sp.

State of the World 1999. A Worldwatch Institute Report on Progress Toward a Sustainable Society. Lester R. Brown ... New York (e. a.): Norton, 1999. 259 S., US$ 13,95