Die hier vorgelegten Referate beschäftigen sich mit der Frage nach der Mitverantwortung der Wissenschaften an der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation und deren Zukunftsperspektiven in einer Zeit gewaltiger aktueller Probleme. Es geht darum, die Leistungsfähigkeit der Wissenschaftsprogramme und der sie tragenden Wissenschaftler in die Pflicht zu nehmen bei der Bewältigung, konkreter und möglicher zukünftiger Schwierigkeiten. Die Bewertung der Zukunftsaussichten hat sich innerhalb der letzten Jahre drastisch verändert. Das »Prinzip Hoffnung« ist der Angst, Unsicherheit, Endzeitstimmung gewichen. Ziel der Beiträge ist es aber nicht, das Baconsche Fortschrittsprogramm zu verwerfen. »Treten innerhalb eines Regelsystems Schwierigkeiten auf, wird allzu leicht das gesamte Regelsystem verworfen, ohne zu bedenken, dass die resultierenden Probleme damit möglicherweise größer werden als die, die man beseitigen wollte.« Inhalte beschäftigen sich beispielsweise mit Vorschlägen für eine den Umweltschutz betonende Wachstumspolitik (Lutz Wicke), einer friedenssichernden Verteidigungspraxis und -politik (Wolf Graf von Baudissin) oder philosophischen und wissenschaftstheoretischen Aspekten der Technikkritik. Hermann Lübbe bedient sich Karl Poppers bei seiner Kritik an der Futurologie. Ihren »non-sense-Charakter der Verheißung« untermauert er mit der Aussage - wir können nicht wissen, was wir künftig wissen werden, denn sonst wüssten wir es bereits jetzt.
Das Argument Lübbes zielt insofern ins Leere, als die Zukunftsforschung nicht behauptet, die Zukunft zu wissen. Doch geht es darum, mögliche Entwicklungen abzuschätzen und diese kritisch zu beurteilen. Schon von diesem bescheideneren Anspruch lässt sich ableiten, dass die Illusion einer friedenssichernden Verteidigung nur zur Legitimation militärischer Planer und Machtpolitiker dient. Geschichtlich betrachtet hat sich wehrhafte Verteidigung immer in ihr Gegenteil verkehrt.
Wissenschaft und gesellschaftliche Verantwortung. Ringvorlesung der Hochschule Lüneburg. Helmt de Rudder; Heinz Sahner (Hrsg.). Beiträge von Wolf Graf von Baudissin, Hermann Lübbe, Niklas Luhmann u.a. Berlin: Berlin Verlag Spitz, 1987. 121 S.