Die Bilanz unseres naturwissenschaftlichen Weltbildes

Ausgabe: 1987 | 4

 Auf den ersten Blick vermutet der Leser wohl einen Anflug von Größenwahn, wenn ihm „die Bilanz unseres naturwissenschaftlichen Weltbildes“ im Untertitel versprochen wird. Dieses utopische Unterfangen wird jedoch vom Autor selbst auf den ersten Seiten korrigiert. Es geht ihm um eine - zugegeben willkürliche - Auswahl und Bewertung der aktuellsten und wichtigsten naturwissenschaftlichen Hypothesen und Theorien der Gegenwart. Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die Überzeugung, dass das Universum unsere Erfindung ist. So gesehen wird es also nicht erforscht, sondern von der Wissenschaft konstruiert. Im Einzelnen erörtert der Wissenschaftspublizist Brockman die Erkenntnisse, Errungenschaften und Überlegungen im Bereich der Kosmologie, der Astrophysik, der Biologie, der Mathematik sowie einige unorthodoxe und noch umstrittene Ideen - wie er sie selbst nennt - im Kapitel „Das unorthodoxe Universum“. -Zu diesen unorthodoxen Ansätzen gehören Spekulationen über einen möglichen außerirdischen Ursprung des Lebens auf der Erde, über gewisse rätselhafte Kräfte, die möglicherweise jenseits der anerkannten evolutionären Prozesse wirksam sind, sowie Gedankenspiele über Gott und die menschliche Seele.«  Zweifellos referiert der Autor interessante naturwissenschaftliche Modelle. Welche davon richtungsweisend für das nächste Jahrtausend sein werden, ist heute nicht abzuschätzen. Brockmans Ausführungen werden wohl kaum über einen kleinen Kreis eingeweihter Leser hinauskommen, da sie über weite Strecken sehr kompliziert sind. Erwähnenswert ist noch der vom Autor gegründete »Reality Club«, eine zwanglose Gemeinschaft, in der wegweisende Denker sich zusammenfinden. Insgesamt ein sehr wichtiges Buch, in dem der Autor ohne Wertung der vorgestellten Ideen und Forscher auskommt. Die Grundannahme, dass wir nicht in einem objektiv definierbaren Universum leben, sondern in einer Welt, deren aus menschlichen Ideen gezimmertes Bild sich ständig verändert, bleibt dem Leser auch nach der Kenntnis faszinierender Errungenschaften im Gedächtnis haften.

Brockman, John: Die Geburt der Zukunft, Die Bilanz unseres naturwissenschaftlichen Weltbildes an der Schwelle des neuen Jahrtausends. Bern u.a.: Scherz, 1987,301 S.