Wissenschaft der Wendezeit – Systemtheorie als Alternative

Ausgabe: 1988 | 1

In Anbetracht der Fülle an New-Age-Literatur fällt es immer schwerer, eine sinnvolle Auswahl zu treffen. Arbeiten dazu aus dem wissenschaftstheoretischen Bereich sind allerdings Mangelware. Deshalb scheint uns diese Besprechung zum Thema - obwohl bereits 1986 erschienen - besonders wichtig. Der Sammelband beinhaltet Aufsätze zu jeweils speziellen Wissenschaftsgebieten (Verhaltensforschung, Ökologie, Biologie) vor dem Hintergrund einer kritischen Analyse der Systemtheorie.

Sie gilt Teilen der Ökologiebewegung, wertkonservativen Reformern und New-Age-Anhängern in der von ihnen konstatierten Krise der Wissenschaft als Alternative. Mit Hilfe der Systemtheorie soll eine allgemeine Umorientierung stattfinden. Die Autoren versuchen indes am Beispiel Capra, konservativen Naturvorstellungen, der Biologie Uexkülls und Bertalanffys nachzuweisen, daß diese Theorie äußerst kritisch zu betrachten ist. Es werden eine Fülle von Ansätzen und Möglichkeiten, beginnend mit der "Krise der Wissenschaft" nach 1933 bis hin zur Weiterentwicklung der Systemtheorie (z. B. von Prigogine, Luhmann) präsentiert und analysiert, um Belege für die vielschichtigen und teilweise problematischen Aspekte beizubringen. 

Die Herausgeber kommen zu dem Schluß, daß sich in der Wissenschaftswirklichkeit durch Verwenden der Systemtheorie die versprochene "ganzheitliche Sicht" nicht einfacher erreichen läßt als durch herkömmliche Ansätze. Man spricht von einer "Leitwissenschaft mit beschränkter Haltung". Die Kritik richtet sich vornehmlich gegen die exponierten Vertreter der "Wende". "Nicht ohne Grund ist mit der ,new-age-Bewegung' (...) tatsächlich die Diskussion über neue Weltbilder und eine veränderte individuelle Wahrnehmung an die Stelle der Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse und auch der naturwissenschaftlichen Produktionsweise getreten." In diesem Verständnis wird die Systemtheorie mißbraucht, um "Sinn zu stiften in einer Welt, die als Chaos erscheint, weil man nicht mehr die Widersprüche als solche erfassen möchte". Das Unbehagen richtet sich auch darauf, daß "systematische Weltbilder bislang immer ( ... ) systemstabilisierend gewirkt haben und somit wenigstens dem Verdikt des Konservativismus verfallen müssen".

Details seien dem Leser wohlmeintlich erspart. Über weite Strecken verliert sich die Analyse derart im wissenschaftlichen Jargon, daß man die Kritik zwischen den Zeilen herauslesen muß. Einwände gegenüber dem New-Age-Denken scheinen gegenwärtig einen Aufschwung zu erleben. (Vgl. dazu contraste. 12/87 und unsere Rezensionen in PZ 4187, Nr. 165-170). Nur mehr für Fachkollegen abgefaßt, verliert sie jedoch ihre Basis und wird zum Selbstzweck, gerade wichtige Erkenntnisse verdienten eine verständliche Darstellung.

Wissenschaft der Wendezeit – Systemtheorie als Alternative? Johann-Peter Regelmann, Engelbert Schramm (Hrsg.) Frankfurt/Main: G. Fischer, 1986. 183 S. DM 18,60/sFr 15,60/öS 144,80