Wie ein Netzwerk an der Restauration des Nationalen arbeitet

Ausgabe: 1997 | 3

Sie betrachten sich als die Elite Deutschlands, sie träumen von einer selbstbewußten Nation ohne Scham und Schuldgefühle, sie entwerfen die Vision eines neuen deutschen Großreichs. Ihre Ideen gedeihen nicht in bierdunstgeschwängerter Stammtischatmosphäre, sondern in feudalen Schlössern, wo die konservativen Denkfabriken standesgemäß residieren. Ihre Feindbilder, deren sie zur Stärkung ihres inneren Zusammenhalts bedürfen, sind Linke, 68er, Liberale, Feministinnen, "berufsmäßige Vergangenheitsbewältiger", "politisch korrekte Gutmenschen", Lichterketten- und Multikultiaktivisten. Waren die Neuen Rechten früher fast immer in der Defensive, so wittern sie seit dem Zusammenbruch der DDR und der deutschen Vereinigung endlich Morgenluft: "Wir sind wieder wer!" Auch der Aufstieg Jörg Haiders im südlichen Nachbarland ermutigt sie, ihre krause Ideologie immer unverhohlener zu verbreiten. Drei junge Berliner Journalisten haben die nationalkonservative Szene gründlich durchleuchtet und die erstaunlich engen Verbindungen honoriger Politiker etablierter Parteien wie CDU und FDP zu Auschwitzleugnern, Antisemiten und verschrobenen Großmachtsträumern ans Tageslicht gebracht. Deren Bildungseinrichtungen werden mit staatlichen Geldern subventioniert. Auch die Medien bieten ihnen zunehmend Möglichkeiten, ihre Positionen, die bisher nicht mehrheitsfähig schienen, einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen. Vom Glauben an Deutschlands Größe beseelt kämpfen alte Nazis Schulter an Schulter mit ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern. Zu den Galionsfiguren   7 dieser weitverzweigten ideologischen Strömung zählen - so die Autoren - Ernst Nolte, der im Zuge des Historikerstreits der achtziger Jahre die nationalsozialistischen Verbrechen relativierte und verharmloste, ebenso wie die ehemals linken, nunmehr ins nationale Lager abgedrifteten Schriftsteller Botho Strauß und Martin Walser. Wer von einem rechten Netzwerk spricht. muß natürlich mit dem Vorwurf rechnen, eine Verschwörungstheorie zu konstruieren. Die Autoren dieser Darstellung scheinen gegen derartige Angriffe gefeit. Zu viele penibel dokumentierte Fakten hat ihre Recherche zutage gefördert, zu konkret und detailliert beschreiben sie die vielfältigen, teils offenen, teils verborgenen Aktivitäten, mit denen die Neue Rechte die Macht im deutschen Staate an sich zu reißen trachtet. Offen bleibt am Ende die bange Frage: Was kommt in Deutschland nach der Ära Kohl? R. L

Junge, Barbara; Naumann, Julia; Stark, Holger: Rechts-Schreiber. Wie ein Netzwerk in Medien und Politik an der Restauration des Nationalen arbeitet. Berlin: Elefanten Press, 1997.211 S. (Antifa Edition) DM / sFr 29,90 /öS218