Handbuch politische Bildung

Ausgabe: 1997 | 1

Daß Bildung, politische zumal, auch dann von Zukunftsrelevanz ist, wenn sie auf die Festigung von Herrschaftsinteressen abzielt, liegt auf der Hand. So ist es auch legitim, ihre Facetten an dieser Stelle in den Blick zu nehmen. Eine prägnante, für professionell mit Fragen der Disziplin Befaßte wie auch für interessierte Laien zugängliche Zusammenstellung dessen, was in Geschichte (1), Didaktik (2), Praxisfeldern (3), in Bezug auf Inhalte (4), Methoden (5) und Institutionen (6) in der BRD aktueller Stand der Dinge ist, gibt dieses Handbuch. Es ist, sorgfältig ediert und ganz auf die praktische Verwendung hin konzipiert, ein buntes Ganzes, dessen Teile - in den sechs genannten Abschnitten sind insgesamt 37 Beiträge ausgewiesener Fachleute mit durchaus auch divergierenden Positionen vertreten - entweder als Nachschlagwerk fungieren, je einzeln erarbeitet oder auch zusammenhängend mit Gewinn rezipiert werden können. Da selbst die Nennung der Titel den hier verfügbaren Rahmen sprengen würde, seien, mit dem unentbehrlichen Mut zur Lücke, einige in unserem Zusammenhang besonders relevante Beiträge angesprochen. Nach dem einleitenden und zugleich umfangreichsten Beitrag des Herausgebers, der in seiner Zusammenfassung der Theorie und Geschichte politischer Bildung u. a. die Überwindung der ”Belehrungskultur" als Problem und Herausforderung zugleich festmacht, werden etwa das Exemplarische Lernen, Problemorientierung, Kontroversität, Teilnehmer-, Handlungs- und Wissensorientierung als didaktische Prinzipien des Fachs erörtert. Peter Weinbrenner (Universität Bielefeld) plädiert zu Ende dieses Abschnitts zudem dafür, Zukunftssicherung und -gestaltung als politische Leitkategorien zu verankern, wonach "die Überlebenskrise von Mensch und Natur zu einem allgemeinen Relevanzkriterium von Wissenschaft und Bildung werden muß ... " Die Fähigkeit und Bereitschaft, (1.) die Dimensionen der Gefährdung zu erkennen, (2.) die Signaturen der Risikogesellschaft zu beschreiben, (3.) Risikofaktoren zu analysieren und (4.) politische Phantasie und Gestaltungskompetenz zur Entwicklung umwelt- und sozialverträglicher Zukunftsperspektiven zu entfalten, nennt er in diesem Kontext als wesentliche Aufgaben. Der Bogen der Praxisfelder wird im Folgenden vom Vorschulalter bis zur Erwachsenenbildung im Sinne lebensbegleitenden Lernens gespannt, die Arbeitsfelder u.a. als institutionenkundliches und interkulturelles Lernen, die Werte-, Friedens- und Umwelterziehung abgesteckt. Das Methodenspektrum reicht von der Arbeit mit Texten, über spielendes und forschendes Lernen über die ästhetische Produktion bis hin zum selbstgesteuerten Lernen (z. B. durch Moderation, Zukunftswerkstatt und Szenariotechnik). Den rundum empfehlenswerten Band beschließen durchaus skeptische Töne im Hinblick auf die aktuellen Rahmenbedingungen der Bildungspolitik.  W Sp.

Handbuch politische Bildung. Hrsg. v. Wolfgang Sander. Unter Mitarb. v. Paul Ackermann; Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verl., 1997. 569 S. (Politik und Bildung; 11)