Lisz Hirn

Wer braucht Superhelden

Ausgabe: 2020 | 4
Wer braucht Superhelden

Die Philosophin Lisz Hirn setzt sich in ihrem jüngsten Werk mit der Sehnsucht nach Superhelden auseinander – und wie diese Sehnsucht Menschen verleitet, sich an autoritären Führungspersonen  zu orientieren. Oft sind es verunsicherte Männer, die „Superhelden“ vor allem in der Politik suchen. Populistische Parteien setzen in Folge auf eine Überinszenierung von Männlichkeit, die männliche Privilegien gegenüber Frauen verteidigt. Feminismus und die Hinterfragung des konservativen Familienbildes werden häufig als Bedrohung wahrgenommen, was gezielt aufgegriffen wird: „Viele deutsche Männer wählen die AfD, weil sie das traditionelle Männerbild verteidigt, das durch globalen Wettbewerb, Urbanisierung und im geschlechterpolitischen Diskurs schwer unter Beschuss steht. Vergleichbar ist die Lage mit Österreich, wo die Männer mehrheitlich dem Kandidaten der FPÖ ihre Stimme bei den Präsidentschaftswahlen 2016 gaben.“ (S. 32)

Vielfach ist in dem Buch von Angst die Rede. Die neuen „Superhelden“ generieren sich als furchtlos, doch setzen sie auf die Verbreitung von Angst – vor Migration, vor dem Islam, vor Globalisierung und vor starken Frauen. Emanzipation wird als Kampf der Frauen gegen die traditionelle und als „tugendhaft“ wahrgenommene Männlichkeit umgedeutet. Nachdem Militär und Industriearbeit zunehmend an Einfluss und Anerkennung verlieren, wird vor allem der Sport zum Ort für „Hypermännlichkeit“, auf die gezielt hingearbeitet wird. Doch auch über den Sport hinaus steht Selbstoptimierung zunehmend im Vordergrund: „In der neoliberalen Ideologie von stetiger Effizienzsteigerung und Selbstoptimierung wird nur der Schmerz geduldet, der zum Zweck der Selbstoptimierung ausgebeutet werden kann. Was nicht zur Leistungssteigerung beiträgt, wird nicht geduldet. Wer krank wird, Verwundbarkeit oder Schwäche zeigt, disqualifiziert sich in einer Gesellschaft, die versucht, jegliche Art von Schmerzen, Risiko, Angst und Dissonanz aus der Welt zu schaffen.“ (S. 128) Alter oder Krankheit werden dabei als Schwächen gesehen, die so gut wie möglich ausgemerzt werden sollen – ein Anliegen, dem sich etwa die Transhumanisten verschreiben. Das Buch schließt mit einem Appell an unsere conditio humana, die Schwächen zulässt, sich für die Vernunft öffnet und damit keine Superhelden braucht.