Christoph Möllers

Freiheitsgrade

Ausgabe: 2021 | 2
Freiheitsgrade

Liberalismus ist schwer zu definieren. Christoph Möllers, Rechtsphilosoph an der Humboldt-Universität in Berlin, erzählt zu Beginn seines Buchs von den verschiedenen Entwürfen in der Ideengeschichte und versucht sie für die Gegenwart zu aktualisieren. Sehr bald führt er den Begriff der „Freiheitsgrade“ ein.  In der Mechanik beschreibt dieser Terminus die Zahl der voneinander unabhängigen Bewegungsmöglichkeiten eines Körpers. Der Liberalismus kenne auch drei dieser Freiheitsgrade. Diese werden bestimmt anhand der Pole gerechtfertigt-willkürlich, individuell-gemeinschaftlich und formalisiert-informell.

Zuerst der wohl wichtigste Satz des Buchs, bedenkend, dass es in der Tradition des Liberalismus geschrieben wurde, und zwar im Jahr 2020: „Es gibt keinen Primat der individuellen vor der gemeinschaftlichen Freiheit, schon weil sich auch Individualität nur als soziales Phänomen beschreiben lässt, noch dazu als eines, das sich nicht alle wünschen.“ (S. 58) Individuelle Freiheit kann gemeinschaftliche Freiheit reduzieren – genau wie dies umgekehrt geschehen kann. Möller nennt sich sozial-liberal: Freiheit wird nicht gegen die Gemeinschaft erhalten, sondern durch Politik auch konstituiert.

Freiheit kann rational gegründet werden, aber auch willkürlich wahrgenommen sein. Das Modell der Freiheitsgrade möchte auch solche Handlungen schützen, die die sich nicht rechtfertigen lassen, so sie gewollt sind. Schließlich kann Freiheit in einem formalisierten Raum, aber auch außerhalb eines solchen genutzt werden. (S. 265) Welche Regelungen Freiheit erweitern und welche sie einschränken, könne nicht begrifflich gelöst werden, sondern müsse permanent politisch ausgehandelt werden.

An diesen Beispielen sieht man, dass Möllers liberal sein will, indem er sich in der Gemeinschaft einbringt, um Freiheit auszuweiten, und um Regeln ringt, wenn sie ihm notwendig erscheinen. Liberalismus als Politische Theorie, die einen Individualismus abseits der Gemeinschaft predigt, würde er einen Liberalismus ohne Politik nennen. Möllers sieht – in Zusammenhang mit der freiheitsstiftenden Kraft der Gemeinschaft – auch das Privateigentum kritisch. „Jede Güterzuordnung enthält die Macht, andere Personen auszuschließen. Je weiter diese Macht wirkt, desto mehr ist die Zuordnung zu politisieren.“ (S. 117)