„Über ein Jahrhundert lang war man allgemein überzeugt, es komme in erster Linie auf die Ich-Qualitäten von Individuen an, vor allem basierend auf deren IQ.“ Damit beginnt Peter Spiegel sein Buch WeQ Economy (S. 15) Mit dem neuen Sprachkürzel drückt der Autor „Wir-Qualitäten“ aus, die Fähigkeit zu Empathie, Kooperation und Co-Laboration. Die „WeQ“-Orientierung sei nicht nur ökologisch und sozial deutlich nachhaltiger, sondern auch intelligenter, kreativer und leistungsstärker. „Die Orientierung an Wir-Qualitäten überholt derzeit alles und macht alles neu“ (S. 16), so Spiegels Überzeugung, der sich dabei u. a. auf Ervin László und Gerald Hüther bezieht. Die neuen Technologien würden nicht nur das Arbeiten und die Unternehmen verändern, sondern auch ganz neue Möglichkeiten der Bildung eröffnen. Als Beispiele nennt Spiegel die internationale Khan-Academy, die Vorlesungsinhalte global zugänglich macht, sowie Wikipedia als globales, „kollaborativ und co-kreativ entstehendes Lexikon“ (S. 179). Bildung sei insgesamt ein Schlüsselfaktor für Entwicklung, der gerade den Ländern des Südens in der globalen Wissensgesellschaft heute ungeahnte Möglichkeiten verschaffe. Neue Formen des Lehrens und Lernens, praktiziert etwa von der Fundaec-Stiftung in Kolumbien mit einem Tutorensystem, würden immer mehr Menschen die Chance geben, ihre Potenziale – so ein weiterer Schlüsselbegriff bei Spiegel – zu entfalten.
Der Autor bringt zahlreiche Befunde und Unternehmensbeispiele, die seine Grundthese von den in Zukunft geforderten „Wir-Qualitäten“ untermauern. Und er schildert die Aktivitäten und Pläne des eigenen „WeQ-Instituts“, das Vision Summits, Workshops und Lehrmaterialien anbietet. Der Autor ist weltweit unterwegs, arbeitet etwa mit Mikrokreditgründer Muhammad Yunus und ist auch verlegerisch aktiv. Dem Horizonte-Verlag, in dem u. a. die Schriften von Michael Gorbatschow und ein Sammelband noch mit Robert Jungk veröffentlicht wurden, folgte die Mitgründung des Printmagazins enorm, in dem neue Unternehmensprinzipen vorgestellt werden.
Peter Spiegel liefert ein flammendes Plädoyer
Peter Spiegel ist kein Ökonom, der die Funktionsweise, Interessenskonflikte und Machtspiele von Wirtschaftssystemen analysiert, er ist auch kein Politikwissenschaftler, der die Hürden einer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit in den Blick nimmt, sondern er versteht sich – ähnlich wie Robert Jungk – als Ermöglicher, der Neues in die Welt setzen will. In diesem Sinne setzt der Autor auf ein historisches Zeitfenster „für die Wende zu einer Wirtschaft für den Menschen“ (S. 133), das sich heute ergäbe. Sehr viele der dafür notwendigen und die Not wendenden Lösungen seien bereits vorhanden. Was fehlt, sei die „kohärente Umsetzung des damit verbundenen neuen Grundverständnisses von Ökonomie als neue Hoffnungsperspektive eines Wohlstands für alle“ (S. 133).
Das Buch ist ein flammendes Plädoyer dafür, dieses Verständnis in den Köpfen und Herzen von möglichst vielen Menschen zu verankern. Als Anknüpfungspunkt dient dem Autor dabei die Metapher vom „Weltgehirn“ (S. 155) des britischen Philosophen Peter Russell, die die weltweite Vernetzung allen menschlichen Wissens sowie aller Menschen zum Ausdruck bringen soll. Die Transformationsforschung analysiert die Barrieren und Gelingensfaktoren für den Wandel. Das vorliegende Buch versucht diesen, voll Engagement herbeizuschreiben. Für den Wandel brauchen wir beides: Herz und Verstand!