Weltverschwörungstheorien - neue Gefahr von Rechts

Ausgabe: 1998 | 3

Wer kann noch die Flut der Millenniums- und Endzeitpublikationen überblicken und ihre divergierenden ideologischen Quellen analysieren? Im Wust oft diffuser esoterischer Jahrtausendwende- und (Un)Heilsprophezeiungen und Patentrezepten wittert eine wiedererweckte rechtslastige Polit-Esoterik Chancen, um aus ihrem Nischendasein herauszutreten. Mit ihren Recherchen bemühten sich zwei österreichische Historiker und ein Politologe die verworrenen Wurzeln und aktuellen Vernetzungen in einer fast erdrückenden Detailfülle einigermaßen durchschaubar zu machen. Rechtsextreme Kapitalismuskritiker Seite an Seite mit okkulten Technikgläubigen knüpfen - bewußt oder unbewußt - an den Kampf christlich-fundamentalistischer und neuheidnischer Fanatiker seit dem Mittelalter an - gegen "die jüdische Weltverschwörung" und die rationalistischen Agnostiker, Freimaurer, Illuminaten und später auch linken Anarchisten.

Erschreckend ist, daß trotz der Phasen legalisierten Terrors - nicht nur unter Hitler - auch in aktuellen Publikationen viele dieser Elemente verharmlost oder geleugnet werden. Am Beispiel des Jan van Helsing, der vor der deutschen Justiz nach Gran Canaria floh, illustrieren die Autoren die populistische Rhetorik, die - u.a. über den Andromeda-Versand - die Esoterik-Szene stark beeinflußt. Daß dabei geschickt das Netz von (Gut)Gläubigen erweitert wird, ist ein willkommener politstrategischer Nebeneffekt. Einer, der Helsings Ideologie (inklusive Nazi-Ufo-Phantasien) im SF-Roman "Friedenskämpfer" weiterentwickelte, ist Karl Walter Nowak, 1998 österreichischer Bundespräsidentschaftskandidat für die Partei "Die Neutralen": Ehemals Naturschutz- und Anti-Atom-Aktivist instrumentalisiert er nun u. a. die EU-Kritik für seine Ziele (S. 250ff.). Mit solchen ungebetenen Mitkämpfern konfrontiert, haben Kritiker von EU, NATO und vor allem multinationaler Konzernpolitik - aktuelles Beispiel: das M.A.I. - ihre Not, sich von diesen abzugrenzen. Ähnlich ergeht es jenen, die sich für kleine Einheiten, Regionalismus, aber auch für unkonventionelle Energieformen engagieren.

In den abschließenden "Strategien gegen den Verschwörungsglauben" werden neben Aufklärung und gerechter Wirtschafts- und Sozialpolitik auch seelische ”Heimaträume" gefordert. Dort "verringert sich die ideologische Notwendigkeit, aus Angst und Unzufriedenheit entstandene Weltverschwörungslegenden nachzubeten. Das ”Small is beautiful' relativer regionaler Eigenständigkeit muß dabei als Gegenpol eine neu zu gewinnende interkulturelle Weltoffenheit entfalten, die dem Haß auf alles Fremde, der in vielen Weitverschwörungstheorien mitschwingt, den Nährboden entzieht" (S. 282f.).

M.Rei.

Gugenberger, Eduard; Petri, Franko; Schweidlenka, Roman: Weltverschwörungstheorien. Die neue Gefahr von Rechts. Wien (u.a.): Deuticke, 1998. 320 S.,DM  39,- / sFr 36,- / öS 285,-