Wege in die Schulautonomie

Ausgabe: 2015 | 2

„Den Lehrerinnen und Lehrern. Dem wichtigsten Beruf der Republik.“ Das diesen sorgfältig gestalteten Band eröffnende Motto macht deutlich, dass die Mitwirkenden bei allen Unterschieden des Zugangs ein Anliegen teilen. Von drei Blickrichtungen aus – jenem der Schulgemeinschaft, der ExpertInnen und der Politik – sind an dieser Stelle 27 Beiträge versammelt, die sich jenseits bildungspolitischer Leerformeln mit den Voraussetzungen und Perspektiven eines Bildungssystems beschäftigen, das der Schule ein höheres Maß an Autonomie einräumt. Der bei weitem umfangreichste Abschnitt „Schulgemeinschaft“ versammelt Erfahrungsberichte aus Schulen in freier Trägerschaft („Lernwerkstatt im Wasserschloss“, Waldorf-Pädagogik), formuliert Einwände gegen die Praxis eines „bürokratisch durchregulierten“ Schulwesens und benennt Prinzipien innovativen und kreativen Lernens: Basiskompetenzen, lebendiges Wissens , Eigenständigkeit, aber auch Einfühlungsvermögen und Wertebewusstsein sollten gleichrangig vermittelt werden, so eine zentrale Forderung. Mit Blick auf die Tradition autonomer jüdischer Schulen, auf die Wertschätzung, die PädagogInnen in Finnland genießen, oder auf die Möglichkeiten von Schulen, ihre Lehrkräfte selbst zu wählen oder eigenständig über ihre Finanzmittel zu bestimmen (Vorbild: Niederlande) werden unterschiedliche Facetten von schulischer Autonomie angesprochen. Dass diese nicht über SchülerInnen hinweg implementiert, sondern nur mit ihnen gemeinsam entwickelt werden kann, ist Thema eines weiteren Beitrags.

Aus Sicht der ExpertInnen werden neben grundsätzlich positiven Signalen auch Einwände geäußert: Wie weit soll Schulautonomie gehen? Wie weit wären PädagogInnen verpflichtet, einem vorgegebenen Ziel zu folgen? Inwieweit widerspricht das Anliegen autonomer Schulformen dem Anliegen der sozialen Durchmischung? Besonders streitbar äußern sich Sonja Lengauer/Christian Fries (beide Bildungsexperten der Industriellenvereinigung), die von der Notwendigkeit einer „Bildungsrevolution“ sprechen. Eine pädagogische Ausbildung, die LehrerInnen ermutigt, Talenten und Fähigkeiten zu fördern, anstatt sich an den Defiziten der Kinder und Jugendlichen zu orientieren ist besonderes Anliegen von Christine Hahn.

Der Abschnitt „Politik“ verweist auf ausländische Erfahrungen (das dänische Konzept der Grundschule), skizziert den Zusammenhang von Schulautonomie und Ganztagsunterricht (B. Schilcher//H. Androsch), wirbt für eine „Entpolitisierung der Schule“ (R. Lugar) und für „Selbstermächtigte Schulen“, die im Zusammenspiel von Kooperation und Eigenständigkeit sich selbst erneuern (Matthias Strolz). Abgerundet wird dieser lesenswerte Band, dessen wesentliche Aussagen auch in sympathischen Grafiken zusammengefasst sind, durch das im Anhang wiedergegebene Weißbuch „Konzept zur ‚mündigen‘ Schule“. Ist es Zufall, dass Vertreter der Schulverwaltung nicht zu Wort kommen? Walter Spielmann

 

 Die mündige Schule. Buntbuch Schulautonomie. Hrsg. v. Matthias Strolz … Wien: Contentkaufmann, 2015. 287 S. , € 22,909 [D], 23,60 [A] ; ISBN 978-3-9504027-0-4