Wege aus der Krise

Ausgabe: 2013 | 1

Das Wort „Krise“ ist in aller Munde. Ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht macht sich angesichts der Staatsschuldenkrise und der „grandios gescheiterten Versuche“ breit, die Klimaerwärmung auf internationaler Ebene wirksam in den Griff zu bekommen. Die 29. Internationale Sommerakademie auf der Friedensburg Schlaining wollte gegensteuern und die Menschen ermutigen, sich einzumischen und Wege aus der Krise zu beschreiten. „Wir wollten“, so Herausgeber Elias Bierdel in der nun vorliegenden Dokumentation, „ein Signal der Ermutigung entgegensetzen“ (S. 10) und den Versuch wagen, „bereits ausgearbeitete, zukunftsfähige Alternativen zu einer Politik des ‚Weiter so!‘ aufzuzeigen und zu diskutieren. U. a. konnten dazu namhafte AutorInnen wie Elmar Altvater, Angelika Beer, Andreas Novy oder Jakob von Uexküll, Gründer des „Welt-Zukunftsrates“, gewonnen werden. Hervorzuheben ist auch der gelungene Versuch, im Plenum ein gemeinsames Dokument zu verabschieden: Das „Manifest der 29. Internationalen Sommerakademie“ beinhaltet klare Positionen zur gesellschaftlichen Umgestaltung.

Aber nicht nur in Vorträgen, auf die hier nur exemplarisch eingegangen werden kann, wurden „Ideen und Konzepte für morgen“ thematisiert, auch in Workshops wurde an der Krise gearbeitet. Unter dem Motto „In welcher Gesellschaft wollen wir leben“ führten etwa Kollege HansHolzinger und Luisa Grabenschweiger eine Zukunftswerkstatt durch, in der gezeigt wurde, dass zwar „Errungenschaften unseres Wohlstandes wie Demokratie und freie Meinungsäußerung, Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Güter wie Lebensentwürfe oder soziale Sicherungssysteme und medizinische Versorgung für alle“ durchaus geschätzt werden, aber doch vieles schieflaufe. Zahlreiche Vorschläge, wie dem konstruktiv gegenzusteuern sei, ließen erkennen, so die ModeratorInnen, „dass die Potenziale der Selbstorganisation für die Entwicklung sozialer Innovationen noch keineswegs ausgeschöpft sind“ (S. 186).

 

Ideen und Konzepte für Morgen

 

Jakob von Uexküll, Stifter des „Alternativen Nobelpreises“, hält in seinem Statement zunächst fest, dass sich die Anzeichen mehren, dass die vom Menschen verursachten Schäden sich einem Punkt nähern, jenseits dessen sie nicht wieder gutzumachen sind, da sie die Widerstandsfähigkeit und die Selbstheilungsfähigkeit der Natur überstrapazieren. Er präsentiert im Anschluss eine Fülle an Vorschlägen, „eine Kombination aus erprobten und bewährten Gesetzen und Politiken, die in einem oder mehreren Ländern erfolgreich sind, und optimalen Politiklösungen, die wir in umfangreichen Recherchen ermittelt haben“ (S. 21) U. a. lässt Uexküll mit dem Vorschlag aufhorchen, die 1,6 Billionen USD der jährlichen Militärausgaben im Rahmen eines globalen Abkommens schrittweise umzuwidmen und zur Finanzierung der Umwelt-, Nahrungs- und Wassersicherheit sowie zum Schutz des gemeinsamen Erbes der Menschheit einzusetzen. Weiters schlägt er eine über fünf Jahre gehende weltweite Aufklärungskampagne für die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger vor. ( vgl. S. 24)

Andreas Novy, Dozent am Institut für Regional- und Umweltwirtschaft an der Universität Wien präsentiert in fünf Thesen (zwei Gegenwartsanalysen und 3 Lösungswege) seinen Diskussionsbeitrag. Bemerkenswert ist seine Analyse, dass wir uns in Europa von der Idee, „die Hüter der Weltordnung (das machen die Rechten) und der Weltmoral (das ist das Feld der Linken) zu sein, verabschieden müssten. Vielmehr gehe es darum, uns im Interesse der Weltentwicklung um die eigenen Hausaufgaben zu kümmern, nämlich den Übergang zu einer Gesellschaft, die vom Eigenen, den eigenen Ressourcen und Möglichkeiten lebt“ (S. 29). Es gehe, so Novy, letztlich darum, das Bild der Zwei-Drittel-Gesellschaft durch das Bild der Occupy-Bewegung mit ihrem Motto „Wir sind die 99 Prozent“ zu ersetzen und als globale Strategie zu implementieren. Deshalb gelte es in Europa, den Kapitalismus und Expansionismus einzuschränken und zu überwinden.

Für den Politologen Elmar Altvater spielt der Staat in der Krise nur deshalb eine wichtige Rolle, „weil er gebraucht wird, um den Kapitalismus zu retten“. „Der Kapitalismus ist also im neoliberalen Zeitalter zugleich finanzgetrieben und staatsreguliert.“ (S. 55) Altvater hält vier Wege für möglich, die den Kapitalismus aus der Krise führen könnten. Den ersten, die Erhöhung der Wachstumsraten, hält der Experte für nicht zielführend, ebenso wenig wie die politisch erzwungene weitere Umverteilung von Einkommen und Vermögen nach oben durch harsche Eingriffe in die Sozialsysteme. Ein dritter Weg wäre die Schuldensenkung, um aus der Finanzkrise herauszufinden und schließlich sei die logische Entsprechung des Weges der Entschuldung die Verkleinerung der „Spekulationskasse“ mithilfe einer Vermögensabgabe, einer Vermögenssteuer und durch Kapitaltransaktionssteuern. Keinesfalls, so Altvater, könne das unsägliche Politikpaket einer „Schuldenwachstumgsbeschleunigungsbremse“ funktionieren, weil dadurch die letzten Reste der solidarischen Umverteilung durch den Sozialstaat unterbleiben bzw. weggekürzt werden müssten. (vgl. S. 59) Altvaters größte Sorge ist die Beschränkung demokratischer Partizipation durch Fiskalpakt und ESM, weil dessen Verwendung von „technischen Fachleuten“ zum ökonomisch Besten des Systems bestimmt werde.

Hans Holzinger warnt in seinem Beitrag über die „Energieversorgung als Achillesferse des Konsumkapitalismus“ vor möglichen Ressourcenkonflikten im 21. Jahrhundert und plädiert für eine „Solarspargesellschaft“ unter Nutzung der großen Potenziale erneuerbarer Energien und einer dezentralen Energieversorgung. Es ist die wohl berechtigte, aber auch nicht unwidersprochene Erwartung Holzingers auf einen tiefgreifenden Wandel im postfossilen Wirtschaften und Leben zu setzen, in dem „wir uns gemeinsam darum kümmern, was uns wirklich angeht und was wir wirklich wollen. Dazu zählen auch die Fähigkeit zur Muße sowie die Kunst des Unterlassens“ (S. 76f.).

Schließlich zeigt das „Manifest der 29. Sommerakademie“, was zur Überwindung der Krise zu tun wäre: Überwindung der globalen Hungerkrise durch „grün“ technologische Revolutionen, eine deutliche Reduzierung des Pro-Kopf-Verbrauchs an Energie, die Erarbeitung zivilgesellschaftlicher Budgets (vgl. dazu auch www.wegeausderkrise.at) und schließlich die Konfliktüberwindung durch gewaltfreie Kommunikation. Alles in allem eine gelungene Mischung aus Utopie und konkreten Handlungsvorschlägen. Alfred Auer

 

Wege aus der Krise. Ideen und Konzepte für Morgen. Hrsg. v. Elias Bierdel … Wien (u. a.): LIT-Verl., 2013. 209 S., € 9,80 [D], 10,10 [A], sFr 11,80 ; ISBN 978-3-643-50466-1