Der richtige Weg zum Stadtmarketing

Ausgabe: 2004 | 2

„Der sinkende Zufluss an materiellen wie immateriellen Ressourcen in die Stadt fördert die wachsende Tendenz der Selbstblockierung. Die Stadt ist trotz Einsatz von New Public Management noch nicht besser regierbar geworden, weil die Kommunikation noch nicht spielt. Nur durch Kommunikation kann der Bürger motiviert, stimuliert und zu Taten für die Stadt bewegt werden. Deshalb lohnt es sich, in die Erarbeitung einer Stadtvision zu investieren und damit einen für alle nachvollziehbaren Identitätsprozess einzuleiten.“ (S. 14) Maria Luise Hilber und Ayda Ergez, die Herausgeberinnen des vorliegenden profunden und aufgrund der knapp gehaltenen Beiträge dichten Bandes, machen mit diesem Zitat deutlich, dass Stadtmarketing mehr ist als die Vermarktung der Stadt als Wirtschafts- oder Kulturstandort. Die Hauptprobleme für die Stadtentwicklung ergeben sich nach Marie Luise Hilber in der Phase der Umsetzung von wohlklingenden Leitbildern; die Expertin nennt als Defizite u. a. einen gestörten Informations- und Kommunikationsfluss, das mangelnde Durchhaltevermögen, das Übergewicht an Werbung sowie unzureichende Erfolgskontrollen. „Stadtmarketing identifiziert“, so wird daher an anderer Stelle ausgeführt, „gemeinschaftlich anzustrebende Entwicklungsziele und motiviert die Akteure zu gegenseitig abgestimmtem, zielgerichtetem Handeln.“ Notwendig sei die Auseinandersetzung mit der „Herkunft der Stadt, der Gegenwart und ihrer Zukunft“ (S. 21). Voraussetzung für einen ehrlichen Identitätsprozess sei der „Wille zur Veränderung“: „Viele Menschen in den Gemeinden/Kommunen reden von Veränderung, aber nur wenige Veränderungsprozesse laufen zur Zufriedenheit der Beteiligten und Initiatoren.“ (ebd.) Hilber schlägt fünf Phasen für einen umfassenden Stadtentwicklungsprozess vor, der von der Erhebung des Ist-Zustands („Screening“) über die Erstellung einer Vision bis hin zu einer überzeugenden Kommunikation („Stadtauftritt“) reicht (s. Kasten). Auch die weiteren Beiträge des Bandes, die Stadtidentität u. a. aus psychologischer, philosophischer und soziologischer Sicht erläutern, verweisen darauf, dass Stadtentwicklung mehr ist als nur Raumplanung und die Ausweisung unterschiedlicher Nutzungsflächen. Lebensräume werden dabei als Entwicklungsräume verstanden, die der Ganzheitlichkeit des Menschen als Leib-Seele-Geist- Einheit gerecht werden. Das Stadtbild, die Architektur, die Belassung und Gestaltung von Naturflächen („Erfahrung von Ursubstanzen“) - all das tritt gleichberechtigt neben wirtschaftliche und infrastrukturelle Aspekte. Wie die Entwicklung einer neuen Stadtidentität in einem langfristig angelegten Prozess möglich ist, zeigt der Geograf Peter Weichart u. a. an der Stadt Linz, die von einem alten Industriestandort zur „dynamischen High-Tech-Metropole“ mutierte. Deutlich wird, dass die Entwicklung des Stadtbildes immer auch Spiegel der Kultur der Menschen ist, die in ihr leben: „Kompensatorischer Trink-, Fress- oder Zerstreuungssucht entspricht ein völlig unkoordiniertes, ´wildes´, additives Aufhäufen von Trink-, Fress- und Spielstellen, die in niedergehenden Stadtteilen oft anzutreffen sind. Kompensationsästhetik statt Konversionsästhetik.“ (Wolfgang Grünberg, S. 61) So wie Kooperation und Selbstorganisation in der modernen Arbeitswelt zunehmen, so steigen auch die Ansprüche der BürgerInnen an die Kommunen: „Immer mehr Menschen wollen nicht Objekt der Stadtpolitik sein, sondern aktiv an den Veränderungen ihres Wohn- und Lebensumfeldes und damit an der Zukunft mitgestalten“ (M. L. Hilber, S. 81). Dass die Qualität von Entwicklungs- und Partizipationsverfahren auch gemessen werden kann, zeigt schließlich ein Beitrag über so genannte Prozessindikatoren, die Kriterien wie Ergebnisorientierung, Dauerhaftigkeit oder Beteiligungsvielfalt erfassen. „Die Stadt als Kommunikation“ - damit lässt sich der rote Faden dieses Bandes wohl am besten charakterisieren. Eine „Sprech-, Diskussions- und Managementkultur zu fördern und einzuüben, die das Potenzial einer pluralistischen Gesellschaft zum konstruktiven Umgang mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten dauerhaft ausbildet“ (Heiner Dürr), könnte in diesem Sinne vielleicht der beste Indikator für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung sein. H. H.

 

Der richtige Weg zum Stadtmarketing. Hrsg. v. M. L. Hilber ... Zürich: Orell Füssli, 2004. 199 S., € 29,50 [D], € 30,40 [A], sFr 49,00 ISBN 3-280-05083-9