Verkehrsforum Salzburg: Mobilität und Nachhaltigkeit

Ausgabe: 1996 | 4

Vom ressortzuständigen Vizebürgermeister Johann Padutsch initiiert, dem in Nürnberg tätigen Stadtplaner und Mediator Reinhard Sellnow konzipiert und geleitet, vom Verfasser dieser Zeilen als Ko-moderator unterstützt, fand von Februar 1995 bis März 1996 das „Verkehrsforum Salzburg" statt. 21 Vertreterinnen von Interessengruppen, die von Aspekten der städtischen Mobilität nachweislich betroffen sind (und zusammenfassend den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Soziales zugeordnet werden können), waren eingeladen, verkehrsrelevante Sofortmaßnahmen zu erarbeiten und Empfehlungen für ein (vom Gemeinderat zu erörterndes) Verkehrsleitbild mit beispielhaften Maßnahmen zu dessen Umsetzung zu erarbeiten. Tatsächlich wurde von kritischen Beobachtern des Prozesses kaum für möglich gehalten - in weit mehr als 1000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden ein Leitbild mit 62 Zielvorstellungen (nur fünf davon nicht im Konsens) und 72 beispielhafte Maßnahmen erarbeitet, die nun die Grundlage für ein neues Verkehrskonzept abgeben. Die Förderung der Wirtschaft und zugleich des Umweltverbundes ist die vom Forum vorgegebene Marschrichtung für die Politik, deren Tragfähigkeit sich in der Praxis freilich erst herausstellen muß. Zu einer diesbezüglich skeptischen Beurteilung gelangt Johannes Böhning, der die o. g. Studie bei Ulrich Beck (München) als Diplomarbeit vorgelegt hat. Im ersten (theoretischen) Abschnitt behandelt er Mobilität als Aspekt der technologischen Modernisierung und empfiehlt das “Subpolitisch" verankerte Element der "reflexiven Institutionen" als eine Möglichkeit bürgerschaftlicher Einbindung in komplexe Entscheidungsverfahren. Die nachfolgende “Diskursanalyse" , die im Wesentlichen auf Grundlage von Sitzungsprotokollen und Interviews basiert, weist mit guten Argumenten darauf hin, daß die potentiellen Chancen des Modells nicht hinreichend genutzt wurden. Es habe - wie die Strukturmerkmale des Diskurses, des Verfahrens und die von den Akteuren angewandten Strategien der Problemlösung zeigten - "die Möglichkeit zum Erarbeiten von sinnvollen Lösungen nur sehr beschränkt gegeben", auch sei "ein tieferes Verständnis für die unterschiedlichen Sichtweisen" der Beteiligten nicht zustande gekommen. In der realen Situation sei ein "fragiler Konsens" aber auch als Chance zu sehen. Die Veranstalter reflexiver Institutionen werden - so Böhnings Resümee - auch in anderen Zusammenhängen nicht Ergebnisse vorwegnehmen, aber immerhin doch Anregungen für gesellschaftliches Agieren geben und einen Beitrag zur Entwicklung der Demokratie leisten können. Und das ist, in Zeiten wie diesen, schon einiges. W. Sp.

Böhning, Johannes: Mobilität, nachhaltige Entwicklung und reflexive Institutionen. Eine diskursanalytische Studie am Beispiel des Verkehrsforums Salzburg. München: Eigen-Verl., 1996. 186 S.