Unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder

Ausgabe: 2008 | 3

Was vor 60 Jahren mit dem Modell der Sozialen Marktwirtschaft gelang, soll heute durch ein ökologisches Wirtschaftswunder, durch die Ökologisierung von Politik und Wirtschaft realisiert werden: Vollbeschäftigung durch Millionen neuer Arbeitsplätze und den Umstieg auf erneuerbare Energie. Franz Alt nannte es in seinem Bestseller („Das ökologische Wirtschaftswunder. Arbeit und Wohlstand für alle“, 2002) „die humanste Vision für das 21. Jahrhundert“. In dieser Tradition stellt Maximilian Gege, Vorsitzender des grünen Unternehmensverbandes B.A.U.M., im vorliegenden Band seine Vision einer ökologisch nachhaltigen Wende vor. Für ihn scheint es absolut unverantwortlich, geschweige denn zukunftsorientiert, die Abhängigkeit von Öl und Gas so mir nichts, dir nichts in Kauf zu nehmen und alleine auf die Kräfte des Marktes und die Interessen der Politik oder der saudischen Herrscherfamilien zu setzen. Wir sollten alles tun, um diese Abhängigkeit zu reduzieren und letztlich sogar zu beseitigen. Es gibt nach Ansicht des Autors nach zwar keine Patentrezepte, aber doch innovative, neue Wege der Umsteuerung. Geges Blick richtet sich auf die nächsten zehn bis dreißig Jahre. Er hält nichts von Schuldzuweisungen oder Besserwisserei, sondern will konkrete Kooperationsleistungen zwischen Politik und engagierten Bürgern aus allen Bereichen der Gesellschaft sehen. Voraussetzung dafür sei globale Verantwortung (Dalai Lama) oder, um mit Peter Spiegel zu sprechen, ein „humanes Weltwirtschaftswunder“ unter der Voraussetzung, dass „endlich und tatsächlich der Mensch im Mittelpunkt stehen würde und nicht eine zunehmend einseitige Gewinn- und Machtanhäufung, der immer mehr menschliche Ideale geopfert werden“ (S. 179).

 

Durch das vom Umweltwissenschaftler dargestellte Zehn-Jahres-Konzept könnten weltweit vor allem im Bereich des Klimaschutzes unter Nutzung aller verfügbaren Technologien und Schaffung von Millionen neuer Arbeitsplätze realisiert werden. Ein nachhaltiges Zukunftsprogramm sei nicht nur denk-, sondern auch problemlos finanzierbar, wie der Autor an einer Reihe von Modellprojekten erläutert. Als zentralen Baustein dazu stellt Gege die „Zukunftsanleihe“ vor. Das Prinzip ist denkbar einfach: Als Solidaritätsbeitrag legen sämtliche Bürger z. B. fünf Prozent ihres Geldvermögens (derzeit 4,7 Billionen Euro) und fünf Prozent der Erbschaften (200 Mia. Euro pro Jahre) freiwillig in einem Fonds an. „Dadurch werden Finanzmittel von 1.650 Mia. Euro (310 Mia. im ersten Jahr und 154 Mia. Euro im zweiten bis zehnten Jahr) freigesetzt, die zum großen Teil in die Zukunft unseres Planeten investiert werden können. Jeder Bürger erhält für seine Geldanlage fünf Prozent Zinsen, die eventuell steuerfrei gestellt werden sollten. Als weitere Maßnahmen schlägt der Autor die Senkung der Lohnnebenkosten, eine Reduktion der Staatsschulden und die massive Förderung von Bildung, Forschung, Entwicklung und Infrastruktur in den Ländern und Kommunen vor. (vgl. S. 168) Der größte Teil des Zukunftsfonds würde in erneuerbare Energien und Projekte zur Energieeffizienzsteigerung investiert.

 

Der Autor präzisiert seine Ideen in einem 16-Punkte-Programm für den Klimaschutz bis 2020 mit dem Ziel einer 30- bis 40-prozentigen CO2-Reduktion (s. Kasten). Mit dem Ausbau „grüner Technologien“ bis 2020 wären seiner Ansicht nach etwa 500.000 neue Arbeitsplätze möglich. Mit dem Hinweis auf diverse Aktivitäten von B.A.U.M., der Umweltinitiative der Wirtschaft, die bereits zahlreiche eigene Projekte zum Klimaschutz (z. B. ein Solar-Schulprojekt, die Photovoltaik-Anlage auf dem Terminal 2 am Münchener Flughafen oder die Solarfassade an der Halle 7 der EXPO 2000 in Hannover, S. 192f.) initiiert hat, verweist Gege überzeugend auf die Potenziale einer Energiewende.

 

Statements zum Zukunftsfonds u. a. von Michael Otto (Otto-Gruppe), Manfred Kohlhase (Weleda AG) oder Andreas Troge (Präsident des Umweltbundesamtes) sowie Gastbeiträge zum Thema Klimawandel, Energiekonzepte der Zukunft und Nachhaltige Entwicklung beschließen diesen überaus anregenden und in vielen Belangen sehr konkreten Band. Eine Pflichtlektüre. A. A.

 

Gege, Maximilian: Unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder. Hamburg: Europ. Verl.-Anst., 2008. 308 S., € 22,- [D], 22,70 [A],

 

sFr 38,50

 

ISBN 978-3-434-50615-7