Dirk Peitz hat einige Orte bereist, überwiegend in den USA, um derzeitigen Zukunftserzählungen nachzugehen und sie zu hinterfragen. Kurz vor Abschluss der Schreibarbeiten begann das Coronavirus die Welt in seinen Bann zu ziehen. Um diese die Zukunft betreffende Angelegenheit nicht unbeachtet zu lassen, nimmt Peitz bereichernde Reflexionen dazu mit auf.
Der Besuch bei Apple in Cupertino ist beklemmend; das kreisrunde Gebäude „The Ring“ manifestiert das Versprechen einer permanenten Zukunft. Die glatte, runde Oberfläche lässt die Form verschwinden, statt Minimalismus herrscht hier Nichtdesign. Obwohl Apple nichts Neues erfindet, verkauft sich das iPhone dank der Erzählung, immer wieder neu zu sein. Ein Ende existiert nicht – wie bei Alcor, einem Unternehmen, das Kryokonservierung anbietet und damit die Erzählung von einem Leben ohne Ende. Für die Big Four – Facebook, Google, Amazon und Apple – gibt es dennoch eine Krise. Keine ökonomische, sondern eine der schwindenden Glaubwürdigkeit: „Eure Zukunft (…) wollen wir nicht. Die Zukunft der vermeintlich ungezügelt voranschreitenden Polarisierung der Gesellschaft durch politische Extreme und ihr Auftreten insbesondere in sozialen Medien; die Zukunft der vermeintlichen Manipulierung unseres Bewusstseins und Denkens durch Fake News und Trolle; die Zukunft der Lenkung unserer Kaufentscheidungen durch Algorithmen; die Zukunft der weiteren Monetarisierung unserer persönlichen Daten.“ (S. 40)
Zu Social Media lasse sich nicht annähernd sagen, „was Facebook mit den Nutzern, den Gesellschaften, letztlich der Welt wirklich macht“ (S. 56). Peitz hinterfragt Halbgewissheiten, die wir oftmals zu Technik und Medien haben. Im Fall Cambridge Analytica wurde behauptet, mit Datenbesitz könnten Menschen manipuliert werden, das sei aber keineswegs belegbar.
Welche Zukunft wollen wir statt dieser Erzählungen? Können uns nur Prognosen Wege für unser Handeln aufzeigen? Oder könnten wir vermehrt auf Lösungen zurückgreifen, die unabhängig davon funktionieren, wie sich die Zukunft entwickelt? Die Gesprächspartnerin Nidhi Kalra, beschäftigt mit Management von Ungewissheit, sagt: „Wir müssen die Zukunft gar nicht vorhersagen, um gute Entscheidungen zu treffen.“ (S.169) Doch die Corona-Krise zeigt auch, dass wir in einer Abwesenheit der Zukunft eine existenzielle Krise erleben.